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Terrorgruppe


Teil II: Machart, Message und Gitarren als Aphrodisiakum

Teil I findet ihr hier.

Geschrieben von King Kraut am 05.10.2014, 13:04 Uhr


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King Kraut: Gab es in der Geschichte der TERRORGRUPPE einen Punkt, wo Sie sagten, das, was wir jetzt geschrieben haben, das ist unser ganz eigener Stil?

MC Motherfucker: Den Stil gab es im Grunde von der ersten Single an, und den haben wir auch immer so verfolgt. Ich habe immer schon gedacht, dass wir stilistisch sehr eigenständig dastehen. Gerade wie wir die zwei Gitarren arrangiert haben und die Art der Texte. Das machen wir bis heute. Wir produzieren vielleicht ein wenig anders.
Zip Schlitzer: Wobei ich es in Bezug auf die Stimmen manchmal enttäuschend finde: Wir singen auf Deutsch, und dann schreiben die Leute in ihren Plattenkritiken nur über die Texte und niemals über die Musik. Obwohl wir uns da ja auch Mühe geben.
Johnny Bottrop: Ein Bisschen.
Zip Schlitzer: Ein Bisschen. Und daher haben wir immer versucht, es so zu machen, dass die Stimme nicht zu weit vorne ist. Wir machen keinen Schlager, das ist Punk. Und da sollen schon noch Gitarren drin sein.
MC Motherfucker: Das war auch immer ein Punkt, wo es beim Produzieren heiß her ging. Da haben wir immer versucht, mit der deutschen Sprache einen Kompromiss herzustellen. So, dass die Musik schon sehr satt und laut klingt, aber die Gesänge gerade noch so verständlich sind. Denn leider ist es so, dass die Leute, wenn sie deutschen Gesang hören, sofort auf den Text hören. Sobald sie den nicht verstehen, verliert man ihre Aufmerksamkeit.

Frank: Möchte man als Songwriter nicht auch, dass der Text live verstanden wird?

Johnny Bottrop: Aber deswegen gibt es ja die Comics im Booklet.
MC Motherfucker: Da haben wir jetzt gerade eine sehr gute Möglichkeit, indem wir mit den zwei Gitarren versuchen, dem Gesang ein Bisschen mehr Luft zu geben, weil wir nicht immer zusammen losbrettern und dasselbe spielen. Sondern wir wechseln uns eher links und rechts ab. Früher haben wir in bestimmten Parts dann zusammen losgedroschen. Dann hat man vor lauter Gitarren fast nicht anderes gehört.
Johnny Bottrop: Was aber auch geil war.
MC Motherfucker: Ich weiß, aber das gibt sich auch ziemlich schnell. Das ist halt so eine typische Stilistik der 90er Jahre Punk-Sachen. 1977 haben Punkbands auch ganz anders geklungen.

King Kraut: Folgt daraus eine Portion mehr Pop in den Punk?

MC Motherfucker: Punk war schon immer Popmusik. Ich weiß gar nicht, was die Leute haben, wenn sie sagen, das ist zu poppig. Als Kiddie hat mir THE CLASH total Leid getan, als sie „Rock the Casbah“ herausgebracht haben und irgendwelche Idioten sind da in Hamburg vor die Markthalle gegangen und haben da eine Demo organisiert, weil die Band einen Disco-Song herausgebracht hat.
Wer das heute liest und damals dabei war, schämt euch in Grund und Boden, ihr wart Idioten.

King Kraut: Wenn man die Band und ihre Musik zusammennimmt, welche Rolle spielen dann die Auftritte, um die Musik zur Geltung zu bringen?

MC Motherfucker: Bei Punk-Musik oder bei Rock 'n' Roll natürlich die allergrößte Rolle. Live spielen hat immer damit zu tun, dass Leute, die auf ein Konzert gehen, eine bestimmte Energie bekommen wollen, dazu feiern wollen, und mit der Band diese Songs zelebrieren wollen. Sie wollen eine Party machen und sich treffen. Gerade in einer Subkultur-Szene und allem, was mit Gitarren-Musik zu tun hat, sind Konzerte wichtig.
Johnny Bottrop: Ein Punkkonzert ist keine Dichterlesung.
MC Motherfucker: Als ich diese Youtube-Videos von unseren Warmup-Konzerten gesehen habe, habe ich mich gefragt: Wieso habe ich noch gesungen? Die Singen doch sowieso alles mit. Da hätte ich meine Stimme schonen können und die Besucher einfach alles singen lassen können. Die waren so laut!

Frank: Muss ein geiles Gefühl sein.

MC Motherfucker: Ja, super! Aber da hast du fast schon gemerkt, wie nebensächlich die Band auf so einem Konzert ist. Du bist ja eigentlich nur der Anlass dafür, dass sich die Leute wieder hinstellen und diese alten Lieder, die ihnen zu einer bestimmten Zeit sehr wichtig waren, mitgrölen.

King Kraut: Was wählen Sie aus, wenn Sie in eine Karaoke-Bar gehen?

MC Motherfucker: Ich bin ein ganz schlechter Karaoke-Sänger. Zwei Jahre nachdem ich die Band verlassen hatte, stand ich mal bei meinen Kumpels Pennywise im SO36 neben der Bühne. Und der Sänger, der blöde Hund, holt mich auf die Bühne und ich soll „Blitzkrieg Bop“ spielen. Ich hab dann erst auf der Bühne gemerkt, oh scheiße, ich kann den Text gar nicht!
Zip Schlitzer: Da würde ich immer noch „I walked with a Zombie“ wählen. Den kann ich immer noch auswendig. Der hat nur eine Zeile.

King Kraut: Wie findet man die Balance zwischen politischen Texten und Klamauk?

Zip Schlitzer: Politik ist Klamauk. Passt.
MC Motherfucker: Politische Texte schreiben wir ja nicht. Eigentlich liegt vielen Texten eine Gesellschaftskritik zu Grunde. Das passiert aber meist auf einer Metaebene. Du musst dir überlegen, was für einen Text schreibe ich, und wie verstecke ich da schön subtil meine Kritik. Bestes Beispiel: „Bulimie-Bettina“. Nimm den Text: Da ist keine Kritik auf der ersten Ebene. Das ist ein Text, wie er im „Struwwelpeter“ hätte stehen können.
Johnny Bottrop: Wir singen nicht „Heidi Klum, du blöde Kuh.“
MC Motherfucker: Wenn man politische Lieder schreibt ist es ja immer so, dass man eine Stellung bezieht und die verteidigt. Daran sind auch viele Bands gescheitert, denn du wirst dann auch von einer parteipolitischen Seite eingenommen und musst du dich dann plötzlich mit deren Querelen herumschlagen. Das Problem hatte auch SLIME in frühen Jahren. Sie hatten es nicht leicht mit diesen Leuten, die sie im Grunde genommen in Beschlag nehmen wollten. Das war dann quasi die Band für alle linkspolitischen Leute. Deswegen gab es ja irgendwann auch dieses Lied „Linke Spießer“.
Zip Schlitzer: Wenn du einmal vereinnahmt worden bist und weichst auch nur einen µ davon ab, dann bist du sofort Hassobjekt bei denen.
MC Motherfucker: Finanzpolitisch ist es für eine Band ganz schlimm, sich auf eine parteipolitische Ebene zu begeben. Du kriegst kein Geld mehr, du kannst eine Benefizshow nach der anderen spielen. Finanzieren kannst du deine Band mit diesen Spackos überhaupt nicht.
Johnny Bottrop: TON, STEINE, SCHERBEN hatten dann hinterher wohl ungefähr eine halbe Million Schulden. Deswegen hat Rio Reiser dann Schlagermusik gemacht mit „König von Deutschland“, um die Bandschulden zurückzuzahlen.

King Kraut: Gibt es denn überhaupt eine sinnvolle Art Politik in Musik zu verpacken?

Johnny Bottrop: Ja, gibt es. Wenn man nicht zu sehr auf feste Positionen beharrt, sondern mehr Fragen stellt. Musik ist Entertainment. Rock 'n' Roll ist kein politisches Manifest. Aber Musik kann Fragen stellen. Mit der richtigen Fragestellung, mit dem Aufeinanderprallen von Kontrasten und Aussagen Leute zum selber Denken bringen.

Frank: Sind Fragen nicht viel einfacher als Antworten?

Johnny Bottrop: Musik muss nicht antworten. Musik ist Musik.
MC Motherfucker: Du machst genau dann einen Fehler, wenn du Antworten gibst. Dann bist du im Grunde genommen ein Politiker und sagst: Ich löse jetzt das Problem.
Johnny Bottrop: Aber du bist doch nur ein dummer Musiker mit vier Akkorden. Deswegen ist Fragen viel wichtiger. Wie heißt der kluge Satz? „Wo die Gewissheit aufhört, beginnt das Denken“
MC Motherfucker: Ich höre manchmal Songs von politisch sehr engagierten Bands, die greifen dann irgendein Problem auf, davon habe ich zwei Wochen vorher in der „Jungen Welt“ einen ausführlichen Artikel gelesen. Dann kommt eine Band und versucht, das in einem Liedtext alles genau zu so formulieren – und es haut einfach nicht hin. Das klingt dann unbeholfen, du hast überhaupt nicht die Möglichkeit, es in zwei Strophen und drei Refrains so auf den Punkt zu bringen. Es zu erklären, die ganzen Facetten zu beleuchten, das geht nicht. Und dann hast du verloren.
Klar, wenn es ein Anti-Nazi-Text ist, das funktioniert immer. Aber das ist ja mittlerweile Szenepopulismus. Wenn dir der Stoff ausgeht oder du auf einem Festival spielst und siehst, die Leute machen nicht richtig mit, dann lässt du sie einfach mal „Nazis raus!“ skandieren, dann ist alles wieder in Ordnung. Das ist albern. Ich muss nicht Meinungen an Leute bringen, die sowieso derselben Meinung sind wie ich.
Zip Schlitzer: Das kann man mal auf dem NPD-Parteitag machen.
Johnny Bottrop: Ja, das ist was anderes.
(Allgemeine Zustimmung für das neue politische Betätigungsfeld der Band)
Ansage: „Hier kommt die Band DAS WOLFSRUDEL mit ihrem Song: ‚Hitler‘!“
(singt) „Hitler war 'ne schwule Sau...“ Naja, etwas sehr primitiv, aber 1000 Kameraden jagen dich...

King Kraut: Wie sind Sie ursprünglich zur Musik gekommen und was war der zündende Moment, wo Sie merkten: Ich will in einer Band sein?

Johnny Bottrop: Ich war zwölf Jahre alt, Jeans-Boy, und in dem Alter, wo man sich langsam für Girls interessiert. Das war noch vor Punkrock, damals hab ich noch SWEET und ROLLING STONES gehört. Da bin im Urlaub an der Nordsee an einem Küstendeich entlanggegangen. Und da sitzt so ein hässlicher Typ mit einer Gitarre, umringt von acht super-hübschen Hippiemädchen, und singt Lieder. Da dachte ich mir: OK, wenn ich wieder zurück bin, kaufe ich mir eine Akustikgitarre.
Zip Schlitzer: Ich fand mit zwölf die ROLLING STONES und THE WHO klasse. Da habe ich schon angefangen, mit Leuten aus meiner Schule mit der Akustikgitarre auf dem Schulhof zu sitzen und Bob Dylan nachzuspielen. Wobei wir darin nicht besonders gut waren, weil die Texte zu komplex waren. Und wir fanden die englischen Sachen gut, weil die Sänger auch mal schrien und laut wurden. Das haben die in Deutschland früher nie gemacht, außer Marius Müller Westernhagen und vielleicht noch Rio Reiser. Alle anderen haben immer vor sich hin geträllert, das fand ich todlangweilig.
MC Motherfucker: Ich habe mit Zehn die Flamenco-Gitarre meiner Mutter entdeckt und versucht, darauf herumzuklimpern. Meine Mutter muss sich gedacht haben: „Das ist doch mal etwas, was er machen könnte“. Zuerst wollten sie mich in den Tennisunterricht schicken, das hat nicht hingehauen. Ich war sogar mal kurzzeitig im Ballett. Hat auch nicht hingehauen.
Also wurde ich bei einer Konservatoriumslehrerin für klassische Gitarre angemeldet.
Bis zu dem Punkt um '77 herum. Da hatte ich von meiner Oma ein altes Radio geschenkt bekommen. Man konnte sich für seine Akustikgitarre einen aufklebbaren Pickup für 9,90 DM kaufen. Das war ein ganz billiges Plastikteil, das man hinten beim alten Röhrenradio reinlöten konnte, und auf einmal war es ein Gitarrenverstärker. Durch dieses billige Pickup war das natürlich immer unfassbar verzerrt. Klang aber geil. Das hat mir so gut gefallen, dass ich irgendwann nicht mehr ins Konservatorium gegangen bin, um Gitarre zu lernen, sondern nur noch zu Hause Krach fabriziert habe.
Zip Schlitzer: Ich hatte schon sehr früh beschlossen, dass ich Musik machen wollte. Ich habe aber etwas gesucht, wofür ich nicht extra Unterricht zu nehmen brauchte. Ich habe auf dem Schulhof auf der Gitarre Bassläufe gespielt, weil ich die interessanter fand. Das war aber alles viel zu Komplex. Bis ich irgendwann tatsächlich im Radio SEX PISTOLS gehört habe und dachte: Dit kann ick ooch.
MC Motherfucker: Genau zu der Zeit hat der Vater meiner Freundin, ein alter Rock 'n' Roller, mir seine alte Höfner-Gitarre geschenkt. Keine zwei Wochen später gab es meine Band SEXUALTÄTER. Das waren nur ein Kumpel und ich mit unseren beiden Gitarren. Wir haben dann komische Lieder gespielt. Zum Beispiel haben wir das Lied von „Biene Maja“ umgetextet: „In einem unbekannten Land war eine Fotze sehr bekannt“
Johnny Bottrop: Ein lyrisches Meisterwerk.
MC Motherfucker: Da kam dann auch die Frauen-Variante ins Spiel. Wir haben mit unseren Röhrenradios auf einer Party gespielt. Wir hatten drei Lieder und haben sie ständig gespielt. Und auf einmal hatte ich das hübscheste Mädchen der Party am Start. Ich musste sie nicht einmal anmachen, die kam von selber.

Frank: Nach dem Biene Maja-Song?

MC Motherfucker: Völlig Wurst, was du da spielst. Als wir letztens in Trier gespielt haben, habe ich das verfolgt. Da stehe ich hinter der Open Air Bühne und spiele mich gerade warm, und nebenan ist ein Kulturzentrum mit einem Kindergarten drin. Da kommen Kinder heraus, und auch ein kleines Mädchen. Ich sehe es an, und ganz automatisch guckt es mich an als wäre ich ihr neuer Freund und wippt mit dem Fuß mit. Die hat gar nicht gehört, was ich da spiele. Anscheinend hat ein Instrument in der Hand eines Mannes für Frauen, egal welchen Alters, etwas magnetisches.
Zip Schlitzer: Der Typ, mit dem ich zusammen Gitarre gelernt habe, war richtig talentiert, den treffe ich immer noch ab und zu mal. Der konnte gut singen und sogar den sehr langen Text von „Hurricane“ von Bob Dylan mal auswendig. Ich glaube, der hat fast jedes Mädel da gekriegt. Das war echt krass.

King Kraut: Abschließend noch einmal den Bogen geschlagen von ganz am Anfang zu heute.Wie viel von dem, was Sie einst antrieb, ist da noch heute in der Musik drin?

Johnny Bottrop: Auf Bühnen stehen, eigene Lieder schreiben, eigene Platten und sogar welche von anderen Bands herausbringen. Von Musik leben können. Alles, was ich mir mit 12 oder 15 Jahren vorgenommen habe, ist eingetreten. Ich habe wirklich alles rundum erfüllt.

King Kraut: Die acht Mädels?

Johnny Bottrop: Mit den Mädels habe ich es früher echt 'ne Zeit lang übertrieben. Naja, eigentlich kann man das nicht übertreiben. Aber das ist nun ruhiger geworden. Viel ruhiger.
Zip Schlitzer: Bei mir ist das nicht ganz so. Mein Problem war all die Jahre, dass ich Musik professionell und nicht nur als Hobby machen wollte. Die Leute in meinem Alter haben dann immer ihre Familien und Jobs. Deswegen sind die ganzen Bands, mit denen ich spiele, immer jünger geworden.
MC Motherfucker: „Opa Zip“.
Zip Schlitzer: Es geht nicht anders. Die beiden hier sind ja auch noch ein, zwei Jahre jünger, aber das geht ja noch. Der Vorteil ist natürlich, dass die Mädels, die man so kennenlernt, auch immer jünger werden. Hat auch was.

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