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Die Kunden, Pothead, Kurz & Lang, Dritte Wahl - 20 Jahre Oettersdorf Open Air

09.07.2011

„Tja, und nun? Mir ist das eigentlich scheiss-egal, von daher könnt ihr beide das ausmachen“. Man merkt es bereits: Es war ein schmaler Grad zwischen zwei möglichen Konzerten. Entweder kam das „Kultopia“ in Hagen (Nordrhein-Westfahlen) in Frage, in denen die Kafkas mit Support auftreten sollten, oder das Festival in Oettersdorf (Thüringen), in welchem unter anderen die Rostocker-Punkrock-Combo Dritte Wahl zu sehen wäre. Da ich mit beiden Bands eine Menge anfangen konnte, war mir das Ergebnis egal, was meine beiden Bandkollegen ausgehandelt hätten. Nach einem kurzen Austausch von Worten und Möglichkeiten wurde ich auch endlich informiert: Auf geht es nach Oettersdorf! Das war insofern eine schöne Idee, da ich seit dem Force Attack 2008 keine Festivalluft mehr geschnuppert hatte. Wir können zwar nur für den einen Freitag-Abend dabei sein, aber immerhin, besser als nichts. Die Bands lohnen sich auf jeden Fall.  Also auf geht’s, ich will den altbekannten Geruch wieder schnüffeln! Auf geht es, ihr tapferen Ritter des Rocks!!

Es stank nach Benzin und Hitze. Verflucht! Warum müssen wir, die tapferen Ritter des Rocks, jetzt bitte im Stau stehen? Ganze 1 ½ Stunden durften wir nach dem „Stop-and-go“-Prinzip die Hitze im Auto ertragen. Das Bier in meiner Hand wird langsam aber sicher immer wärmer und ich hole mir immerzu das heutige Programm immer wieder in den Sinn, um nicht durchzudrehen: Um 20:00 spielen „Die Kunden“, die ersatzweise für Zaunpfahl eingesprungen sind. Ab 21:00 Uhr würden uns dann „Pothead“ die Ehre erweisen, und das für volle zwei Stunden. Ab 23:00 hätten wir dann unseren Spaß mit „Kurz & Lang“, welche die Zeit bis 24:00 überbrücken sollten, bis dann schließlich der Hauptakt „Dritte Wahl“ die Bühne betreten sollte. Na hoffentlich kommen wir rechtzeitig an…

Nach allen Strapazen, die wir durch den Stau auf uns genommen hatten, wunderte es uns umso mehr, dass wir noch um 19:30 auf dem Gelände stehen konnten. Das war ganz schön knapp, aber dafür müssen wir nicht mehr lange auf die erste Band warten. Das Gelände erinnerte ein bisschen ans Force Attack, nur dass es deutlich kleiner war. Zelt- und Hauptbühne waren mit einigen Merch-Shops innerhalb eines abgesperrten Gebietes aufgebaut worden. Nebenan befand sich der Camping-Platz für all jene, die das ganze Wochenende über geblieben sind. Für uns war das relativ uninteressant, da wir nachts sowieso wieder aufbrechen würden. Aber es war trotzdem schön ein vertrautes Ambiente begutachten zu dürfen. Herrlich, genau so wie früher! Ich merke an der Stelle aber leider auch, dass ich alt werde.

Nun war es endlich so weit! Die erste Band kam auf die Bühne. „Die Kunden“ sind – laut ihrer eigenen Worte – eine kleine Band aus Thüringen, die es noch nicht lange gibt. Doch wie präsentieren sich diese vier Jungs? Ich muss leider sagen: Nicht besonders auffällig. Oder sagen wir doch besser: Sie präsentieren sich zwar, aber ohne großen Erinnerungs- oder Wiedererkennungswert. In der einen Stunde wurden vielleicht ein oder zwei Songs gespielt, die wirklich so etwas wie Spaß gemacht haben, aber der Rest ging irgendwie unter. Zwischen komischen musikalischen Einlagen, die überhaupt nicht gepasst hatten (abgesehen von einigen Soli), konnten sich nur kleine Mädchen und Jungs (die aus unerklärlichem Grund auch auf diesem Festival waren) wirklich begeistern. Ansonsten sperrten sich die Instrumente gegenseitig aus, denn "harmonisch" klang es nicht wirklich. Textlich war irgendwie nichts zu verstehen, außer, wenn die ruhigen Lieder ausgepackt wurden. Ansonsten war es auch nicht wirklich der Knaller. Apropos "ruhige Lieder": Von diesen gab es übrigens genug. Der Sänger hat unter dem mageren Einsatz der Instrumente wirklich "gesungen", was aber irgendwie auch nicht wirklich toll klang. Ist zwar ganz nett, weil es sowas kaum gibt, aber dennoch hätte es besser umgesetzt werden können. Die "Atmosphäre" konnte einfach nicht aufgebaut werden. Es klang wie ganz gewöhnlicher 0815-Rock, der in diesem Falle wirklich nur zum Anwärmen genügt hatte. Das mag zwar auch nicht schlecht sein, aber den Jungs eine ganze Stunde zu geben war wohl doch ein bisschen zu viel. Ein bisschen weniger Zeit hätte der Band wohl ein etwas besseres Urteil gegeben. Aber man muss fair bleiben: Die Band hat als Ersatz für Zaunpfahl gespielt. Ihr wurde eine große Bürde aufgetragen, der sie gar nicht gerecht werden konnte, was ja auch nicht schlimm ist. Obwohl mich die Band persönlich kaum angesprochen hat, muss ich ihr den Respekt zollen, dass sie sich „getraut“ haben für die Pfähle einzuspringen. Vielleicht machen sie sich ja in der Zukunft, Potenzial hätten sie jedenfalls.

Alter Schwede!! Was passiert denn hier gerade? Tiefe Töne, wirklicher Gesang und extrem stimmige Instrumente prasseln gerade auf uns ein. Ich komme gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Die Band „Pothead“ aus Berlin haben angefangen zu spielen und stehen im starken Kontrast zu den „Kunden“. Jede einzelne Note, jeder einzelne Klang und auch jede Zeile ihrer Texte passt einfach perfekt zur Stimmung. Das Schlagzeug hämmert sehr eindrucksvoll in die Vollen, der Bass benutzt fast nur die ganz tiefen Töne und die Gitarre sorgt für die Würze des Trios, welche sich in Form von harten Riffs oder grandiosen Solis äußerte. Trotz des heftig-deftigen Musikcharakters, sorgt der Sänger dafür, dass es nicht zu krass wird. Anstatt Gegröhle und Geschrei gibt es Gesang vom Feinsten zu hören. Dadurch habe ich mich immer gefragt, wie man diese Band am besten einordnen sollte. Ich persönlich würde sagen: Eine gesunde Mischung aus Punkrock und klassischem Rock’n’roll! Neben all dem krachenden Zeugs, das diese Band zu bieten hat, gibt es natürlich auch schöne und ruhige Lieder, die zwar irgendwo GANZ anders waren, aber dennoch sehr gut in das Sortiment dieser Band gepasst hat. Hier stimmt hinten und vorne einfach alles. An dieser Stelle gibt es auch noch mal ein großes Lob an jene, die mit der Bühnenshow zu tun hatten. Die Lichter wurden perfekt eingesetzt und haben das akustische nur noch mal unterstrichen. Wäre Dritte Wahl an diesem Abend nicht noch gewesen, so wären es „Pothead“ definitiv gewesen! Für mich war natürlich völlig klar, dass ich mir die ein oder andere Platte von dieser Band besorge. Womöglich wird es darüber auch ein kleines Review geben. Mein Fazit: KLASSE BAND! Jeder, der auf wirklich grandiosen Rock steht und live was erleben möchte, der kann sich mit anderen Pothead-Fans (die übrigens auch eine sehr gute Stimmung gemacht hatten) zusammen tun und einen super Abend erleben. Die Band ist im wahrsten Sinne des Wortes ein KRACHER!

Nun steht die Band „Kurz & Lang“ auf dem Plan, die sich noch einmal von den beiden Bands davor unterscheidet. Hier wird Rock und Blues in einem geboten, der das Tanzbein zum Schwingen bringt! Gut 20 Jahre hat diese Band schon bestand (und ging irgendwie völlig an mir vorbei), weshalb es wohl eine gute Idee gewesen ist, sie auch auf das 20-Jahre-Oettersdorf-Festival einzuladen. Die fünf Herren aus Thüringen haben ebenfalls eine Menge zu bieten gehabt, auch wenn wir sie nur zur Hälfte mitbekommen haben. Allerdings reicht der gesammelte Eindruck bis dahin völlig aus: Wer Ska oder Blues mag, der wird auch diese Band mögen. Es ist pure Tanzmusik! Ich habe in den ersten 30 Minuten nur wenig Text vernehmen können und wurde stattdessen mit Instrumenten vollgepumpt. Zwei Gitarren, ein Schlagzeug, ein melodischer Bass und sogar eine Mundharmonika kamen zum Einsatz. Die Menschen in der Zeltbühne tanzten, tranken und feierten sich ihre Beine wund. Auch ich konnte teilweise nicht widerstehen und habe das Tanzbein zeitweise eingesetzt. Es wurde eine gelungene Mischung aus Klassischem Rock und Blues getätigt, die außergewöhnlich gut für gute Laune sorgen kann. Den Rest haben wir damit verbracht, diverse Getränke zu konsumieren und auch mit ein paar netten Leuten zu quatschen. Das ging mit der Musik im Hintergrund ziemlich gut. Nicht schlecht! Wer auf diese Art von Musik steht, dürfte mit dieser Band definitiv seine Freuden finden.

Doch was wäre ein solcher Abend, ohne einen wirklich abschließend-krachendes Feuerwerk der Unterhaltungskunst? 15 Minuten vor Beginn der vierten Band „Dritte Wahl“ warten wir schon gespannt und beobachten die Bandmitglieder, wie sie ihre Instrumente aufbauen und ihren Soundcheck durchziehen. Da fühle ich mich doch glatt in andere DW-Konzerte zurückversetzt, besonders das auf dem Force Attack. Es war ungewohnt wieder Rasen unter sich und den freien Himmel über sich zu haben. Ich bin gedanklich schon an der Stelle, in der sich der Rasen in ein undefiniertes Fleckchen Braun verwandelt und zu einer Pampe mit undefinierbarer Konsistenz wird. Hach, wie wird das schön! Vor allem schön schmutzig und schmerzhaft.
Mitten zwischen Leuten aller Art warte ich gespannt, bis es endlich losgeht. Und kaum wurde dieser Gedanke zum Ende geführt, ging es auch schon mit Ach und Krach los! Im Gegensatz zum letzten Mal in Salzwedel, war dieser Pogomob vom Anfang bis zum bitteren Ende nicht nur groß, sondern auch ziemlich heftig. Ob nun Punks, Skins, „Normalos“ oder sogar der ein oder andere „Hippie“ waren zwischen all den Menschen zu finden, die schlagend und tretend im Kreis tanzten. Hell yeah, da kommt vielleicht Stimmung auf! Kein Wunder, dass mir bis zum heutigen Tage noch alle Gliedmaßen und sonstigen Anhänglichkeiten weh tun.
Doch auch nach dem x-ten Male lassen sich die Rostocker-Rocker was Neues einfallen. Denn an diesem Abend waren die Herren sogar zeitweise zu fünft anzutreffen. Mit einem bärtigen Mann am Keyboard, der Lieder wie „Störung“ oder „Auf der Flucht“ begleitete und einem zusätzlichen Gitarristen wurde der Abend musikalisch nochmal völlig aufgedreht. Die Vielfalt, mit der die Punkrocker aufgetreten sind, ließ kaum Wünsche offen. Es war immer noch „Dritte Wahl“, allerdings mit ein paar Experimenten, die nicht in einem totalen Desaster geendet sind. Ganz im Gegenteil! Die Klänge fügten sich gut in die altbekannten Songs ein und erweiterten die Lieder um ein paar kleine Feinheiten. Alte Hasen dürften auch daran Gefallen finden, dass ihre Lieblingsband trotz allem immernoch Tinte auf dem Füller hat.
Die gute Laune ging sogar so weit, dass selbst technische Mängel die Stimmung nicht trüben konnten. Denn beim Lied „Hash“ fielen plötzlich die Mikrophone der Band aus und es war für eine gute Viertelstunde kein Klang ihrer lieblichen Stimme zu hören. Doch durch die angeregten Fans, die sie vorher ordentlich heiß gemacht hatten, konnte das Lied durch Chöre und Geänge weitergeführt werden, bis die Wahle selber wieder einsteigen konnten. So macht das Spaß!
Ganz besonders habe ich mich gefreut, dass sie sowohl alte, als auch neue Lieder ausgepackt haben. Das Lied „Das sieht gut aus“ oder "Ich bin's" wurde mit dem Keyboard sehr schön rübergebracht und sorgte für Gesangseinlagen auf Seiten der Besucher. Hört sich genau so geil an, wie auf der Platte. Exzellent! Auch „Bad K.“ wurde nach (für mich) langer Zeit endlich mal wieder angespielt und hat den wütenden in einen teils tanzenden Mob verwandelt. Da sieht man, was Crossover-Elemente für eine Power in sich tragen! Lang lebe der Klang!!

Doch nach gut 2 Stunden (wobei eigentlich nur 1 ½ geplant waren) und etlichen Zugaben war es nun auch Zeit für die Wahle sich zu verabschieden. Mit dem Lied „Kein Wort“ wusste jeder, dass die Zeit für den Abschied gekommen war. So machten wir es uns noch einmal bequem, um zu verschnaufen. Wir hätten natürlich noch einmal „Kurz & Lang“ sehen können, die komischerweise ein zweites Mal nach Dritte Wahl gespielt haben, aber da uns die Band bereits bekannt war und die Nacht schon tief war, beschlossen wir doch noch abzuziehen. Es lagen schließlich noch drei Stunden Fahrt vor uns…um halb fünft Uhr morgens erreichten wir schließlich unseren Bestimmungsort.

Wow, was für ein genialer Abend! Eine wunderbare Paarung aus Nostalgie, Alkohol, klasse Bands und tollen Leuten haben diese Nacht zu einer ganz besonderen gemacht. Den Schmerz spüre ich sicher noch die nächsten Tage…wer nicht dabei gewesen ist, ist selber Schuld! Aber die Bands spielen schließlich noch aktiv ihre Konzerte, von daher hat jeder noch einmal die Chance, sich die Kollegen aus der Szene anzuschauen. Ich kann es jedenfalls nur wärmstens empfehlen!

In dem Sinne sag ich es mit den Worten von Dritte Wahl: „Danke für diesen Augenblick, danke für dieses kleine Glück…“.


Geschrieben von ChaosZx2 am 10.07.2011, 00:00 Uhr


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