Design wechseln

Start » Konzertberichte » NOFX und THE LAWRENCE ARMS im Astra Kulturhaus, Berlin

NOFX und THE LAWRENCE ARMS im Astra Kulturhaus, Berlin

06.05.2014

Weitere Informationen:
http://www.nofxofficialwebsite.com/
http://www.lawrencearms.org/


NOFX sind seit Mitte der Neunziger eine meiner Lieblingsbands. Lustigerweise habe ich sie damals, als sie gerade auf dem Gipfel ihrer Popularität waren und mindesten jede zweite Band so klingen wollte (unter anderem *hust* meine damalige Teenie-Kapelle), nie live gesehen. Stattdessen habe ich das erst in den letzten paar Jahren nachgeholt, und ging nun schon zum dritten mal in diesem Jahrzehnt mit meinem alten Punkrock-Gefährten und Bassisten meiner damaligen Band ein Konzert unserer Jugendidole besuchen.

Als wir ankamen waren THE LAWRENCE ARMS bei ihren letzten Songs, und eh ich ein Bier in der Hand hatte, auch schon fertig. Da mich die Band nicht sonderlich interessiert, weder von dem, was ich an Aufnahmen kenne, noch, was da herübertönte, war das auch ganz gut so, denn nach einer kurzen Umbaupause kam auch schon der Hauptact auf die Bühne und wurde von einem randvollen Astra Kulturhaus begrüßt. Das Publikum tendenziell mehr Ü30, soviel zum damaligen Ruf der Band, ein Kiddie-Magnet zu sein – die sind eben auch alle gealtert. Diesen Umstand sprach dann auch gleich der Fat Mike an, der es als angenehm empfand, nicht der einzige alte Sack zu sein, sondern vielmehr der älteste Sack. Ja, das lässt sich nicht vermeiden, auch als professioneller Punker zu ergrauen, trotz gefärbter Haare. Dennoch haben sie sich wohl ganz gut gehalten, was wohl für einen gesunden Lebenswandel abseits der Bühne spricht. Nur El Hefe sieht man die Jahre deutlicher an, derer er wohl auch am meisten auf dem Buckel hat.

Ein Bisschen Bla bla und los ging es mit „60%“, einem entspannten Intro, das nach einem Break gleich anzieht und die gespannte Meute erfreute. Dann, um es hinter mich zu bringen, der Tiefpunkt des Abends, das unsägliche „72 Hookers“. In dem an sich ganz fetzigen Song geht es darum, dass islamische Terroristen eigentlich sexuell frustriert seien und man ihnen anstelle mit militärischen Mitteln lieber mit Prostituierten beikommen könnte, die dann Amerikas Feinde oral befriedigen sollten. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie eine Band, die zu ihren Hochzeiten emotional ergreifende Texte schrieb oder auf melancholische Weise von menschliche Schicksalen erzählte, miesen Sportverein-Umkleidekabinen-Humor für so einen Schenkelklopfer halten kann, dass sie ihn gleich an den Anfang ihres neuen Albums und des Konzertes setzt. Dabei geht es mir nicht um politische Korrektheit, die sowieso mit Humor nichts zu tun hat, sondern darum, dass es einfach unwürdig ist, für eine Gruppe über 50jähriger Männer und Familienväter, solchen Mumpitz herauszuposaunen. Haben die keine Freunde, die sie darauf hinweisen, dass das ein Griff in Klo war? Oder denken sie sich, haha, das ist Punk, wenn andere sich dadurch provoziert fühlen? Ich bin gespannt, ob Fat Mike seiner eigenen Tochter beizeiten solche klugen Ratschläge im Kampf für den Weltfrieden unterbreiten wird. Haha, lustig! Insulted by a German again.

Nach diesem Stück konnte es nur bergauf gehen, und spätestens bei „Soul Doubt“ war ich schon wieder versöhnt. Ohnehin war es eine Setliste nach meinem Geschmack, viel 90er, viel „Punk in Drublic“, auch mehr als einmal in der bekannten Albumreihenfolge, so dass man sich nach einem Song gleich freuen konnte, die ersten Töne des nächsten zu erkennen. NOFX haben einfach so viele sensationell gute Songs, dass sie neben den Evergreens immer noch eine breite Auswahl für jedes Konzert haben, da können sie eigentlich gar nicht so viel falsch machen. Die reggaefizierte Version von „We March to the Beat of Indifferent Drum“, na also, man kann doch auch ernste Themen in mitreißende Songs packen. Alles hervorragend tight gespielt, das ist natürlich das schöne an so alten Hasen, die können dieses halsbrecherische Tempo, welches sie im Melodic Punk vorangetrieben haben, im Schlaf halten und zwischendurch sich selbst oder das Publikum veräppeln. Das Palaver zwischendurch habe ich diesmal weniger beachtet, es kreiste meistens um irgendwelche Stereotype oder Merkwürdigkeiten, die der fette Michel dann kommentierte. Zumindest angenehm unverkrampft und spontan. Mittlerweile war die Band schon so oft in Deutschland, dass ständig deutsche Wörter einfließen, was einen komischen Effekt hat, wenn man nur mit einem Ohr zuhört und von der Bühne ein: „Deine Mutter“ kommt.

El Hefe halte ich für den besten Musiker im Quartett, er holt da gesanglich und auf der Klampfe einfach noch das Quäntchen mehr aus der Musik, ebenso durch Einsatz von Trompete und Posaunen. Auch der fünfte Mann an der Orgel, dessen Namen ich immer vergesse, war dabei, das inoffizielle Bandmitglied ehrenhalber. Softere Liedteile wurden dadurch stimmiger gemacht. Bei „My Heart is Yearning“ konnte sich leider das Publikum dieses peinliche Mitklatschen auf 1 und 3 nicht sparen, das scheinbar eine deutsche Unart ist. Leute, bewahrt euch das für Wolle Petry auf, der freut sich bestimmt. Oder, wenn ihr es nicht lassen könnt, dann wenigsten richtig machen. Direkt nach diesem melodramatischen Ulksong dann mein heimlicher Favorit, den ich schon immer gern live genießen wollte: „Perfect Government“! Yeah! Warum wurde sie denn so fett, die Katze? Da konnte auch der lahme Absacker „Creeping Out Sara“ mich nicht trüben, gefolgt von einem seltsam anachronistischen Song gegen Reagan und Thatcher. OK, das ist schon wieder so klischeebeladen, dass es lustig ist. Jedenfalls besser als die Tiraden gegen George W. Bush damals, die politische Schiene können andere Bands einfach überzeugender fahren. Als letzter Song vor der Zugabe wurde „Reeko“ mit der ersten Strophe als hallender Dub gespielt, was die Stimmung nach einer exzessiven, leergesoffenen Party nochmal unterstrich.

In der Zugabe zeigte die Band bei „The Separation of Church and Skate“, was sie auf dem Kasten hat, und hui, das hat trotz untypischem Mosh-Part am Ende ordentlich Schwung, und so geil spielen will ich auch mal lernen. Später dann das auch wieder veraltete „Franco Un-American“, naja, in den Staaten ist es schon eine krassere Angelegenheit, sich als unamerikanisch zu outen. Bin ich eigentlich der einzige, den dieser Song ganz stark an „Eve of Destruction“ erinnert? Als traditioneller Abschied des Konzerts wurde mit „Kill All the White Man“ noch ein letztes mal die Party zum Überkochen gebracht, wer grölt schon nicht gern mit, und dann war die Zeit um.

Alles in allem bin ich sehr zufrieden, von einem intellektuellen Ausfall abgesehen ist die Band immer noch in der Lage, erstklassige Konzerte zu spielen, und an dem Abend war sie gut in Form und gut gelaunt. Sie hat anscheinend auch gemerkt, wo in ihrem Gesamtwerk die Perlen liegen und kramen diese gerne heraus, anstelle wie manche Bands immer nur das jeweils letzte Album als das Nonplusultra zu behandeln. Besonders freut mich aber, dass sich NOFX nicht wie andere Bands, die mich begeisterten, im Nachhinein als Luftnummer herausstellten, die live nicht mit ihren Alben mithalten können oder nach ein paar Jahrzehnten mit halber Kraft noch einmal von ihrem alten Ruhm profitieren wollen. Solange diese Truppe das so durchhält, wird man mich auch möglicherweise auf ihren Konzerten antreffen.


Setlist (am Schluss evtl. pogobedingt unvollständig) :

60%
72 Hookers
Murder the Government
Bob
Seeing Double at the Triple Rock
Soul Doubt
We March to the Beat of Indifferent Drum
Leave It Alone
Dig
The Shortest Pier
I Believe in Goddess
Scavenger Type
Linoleum
My Heart Is Yearning
Perfect Government
Creeping Out Sara
Ronnie and Mags
What Now, Herb?
The Quitter
Reeko

The Separation of Church and Skate
Mattersville
Franco Un-American

Kill All The White Man

Geschrieben von King Kraut am 10.05.2014, 00:31 Uhr


Teilen:                    

Kommentieren