Design wechseln

Start » Reviews » Heaven Shall Burn - Of Truth and Sacrifice

Heaven Shall Burn - Of Truth and Sacrifice

Heaven Shall Burn - Of Truth and Sacrifice

CD Century Media 20.03.2020
  8 / 10

Weitere Informationen:
https://www.youtube.com/watch?v=IvytvMgUpis
https://www.youtube.com/watch?v=c0JyybdXIPQ
https://www.youtube.com/watch?v=FWukd9fsRro


Ein Review von mir, nach Jahren, und dann gleich Metalcore. Offensichtlich habe ich bei Kollege Frank den Eindruck erweckt, als wäre ich dafür kompetent. Na klar, schließlich kenn ich sogar persönlich Metalheads, und die sagen mir, dass die Thüringer HEAVEN SHALL BURN in ihrem Genre durchaus eine gängige Größe sind.
Wer sich dieses Doppelalbum ganz unbefangen reinzieht, merkt dann auch, dass diese Produktion von einer Qualität ist, die in der oberen Liga des extremen Metal anzusiedeln ist. Der Sound makellos, gut ausbalanciert, und dient fast ausnahmslos dem Song. Was will ich damit sagen? Dies: Wenn es knallen soll, knallt es gewaltig, wenn an der Gitarre etwas spannendes Passiert, ist das ganz klar hörbar, und wenn stimmungsvolle instrumentale Passagen den Song tragen, nehmen sie sich genügend Zeit, um etwas aufzubauen. Hier sind erfahrene Recken zu Gange, die aus Ihrem erarbeiteten Handwerk gezielt etwas umfangreiches und ambitioniertes zusammenkomponiert haben.
Diese Scheiben wollen am Stück gehört werden. Musikalisch wird hier eine bunte Palette der harten Gangart bedient, Shredding, Growling, Blastbeat, reichlich auf die Umme und trotzdem mit genügend Melodie, dass man nicht nur den reinen Abriß erlebt. Die enthaltenen stilistischen Ausreißer in Elektronik und orchestrale Streichpassagen sind im Jahr 2020 nichts Neues, aber gut gemacht und geben den Songs eine gute Dynamik und Abwechslung. Gut kopiert (von RAMMSTEIN, REFUSED, ach, sagen wir‘s doch, THE BEATLES) geht für mich völlig in Ordnung, wenn es so gekonnt gemacht wird.
Etwas hat mich an HEAVEN SHALL BURN irritiert, ein innerer Widerspruch in einer ansonsten beinahe zu glatten professionellen Musikproduktion. In einen Sound, der eine kontrollierte, brodelnde Gewalt zum Ausdruck bringt („METAL-“), legen die Musiker eine Auseinandersetzung mit linken gesellschaftlichen Themen, die ganz offensichtlich aus dem eigenen Alltag entspringt („HardCORE“). So weit nachvollziehbar, aber dieses Pathos, diese Herr-der-Ringe Rhetorik, bei der es niemals unter Begriffen wie Sieg oder Untergang geht, diese Begriffe sind mir zu weit von den Inhalten entfernt, als dass ich sie emotional unter einen Hut bekomme. Vielleicht ist es auch einfach ein Bisschen zu viel verlangt, und doch wünschte ich mir, dass diese Verbindung besser gelänge.
Noch eine Facette eröffnet sich, wenn man sich den Dokumentarfilm „Mein grünes Herz in dunklen Zeiten“ über HEAVEN SHALL BURN ansieht, welcher uns netterweise zugänglich gemacht wurde. Das sind keine Rockstars, das sind Metal-Fans, die sich in über 20 Jahren dahin gearbeitet haben und mittlerweile als wichtigstes Hobby eine sehr versierte Metalband am Start haben, mit der man auch mal Wacken zum Wackeln bringen kann. Und dann geht‘s am Montag wieder zur Arbeit. Oder ins Studium. Zur Familie. Bodenständig. Authentisch. Sympathisch. Unprätentiös. Ein wenig… langweilig? Vielleicht fehlt diesem Malen nach Zahlen der harten Mucke die Wildheit, das Unberechenbare und Chaotische, um die Größe der Vorbilder zu erreichen, um selbst einen Schritt über das bereits etablierte hinaus zu gehen.
Warum eigentlich ein Doppelalbum? Während die erste Scheibe vermutlich nah am üblichen Stil der Band sind, ist die Zweite ungleich mutiger und abwechslungsreicher in Sounds und Stilen. Da höre ich Rock, da höre ich eine Slayer-Gitarre, Gastsänger, auch die Dynamik zwischen laut und leise, ruhig und brutal wird mehr eingesetzt. Vielleicht hätte man aus den Ideen von beiden Scheiben eine einzige, ultradichte Super-CD machen können? Hätte, hätte, Herrentoilette. Hat man aber nicht.
So bleibt „Of Truth and Sacrifice“ ein in sich stimmiges, vielseitiges Doppelalbum, das ich bestimmt noch häufig anschmeißen werde, wenn ich gerade in der Stimmung bin. Aufgrund der Länge habe ich auf jeden Fall auch genügend Material, um mir ausführlich die Gehörgänge freizupusten und auch nach dem dritten Durchfönen neue Dinge zu entdecken. Bis zum Anzünden der Himmels ist aber noch Luft nach oben, und es wird sicher noch Interessantes von HEAVEN SHALL BURN auf uns zukommen.

Geschrieben von King Kraut am 24.03.2020, 20:31 Uhr


Teilen:                    

Kommentieren



Weitere interessante Reviews

TALCO - INSERT COIN

“Insert Coin“...ratter, ratter, klong, klong...und dann geht es los. Die Maschine arbeitet und spuckt das Bezahlte aus. Man könnte den Titel der neuen 4-Track-EP so verstehen, dass eine...

Weiterlesen

PLIZZKEN - DO YOU REALLY WANNA KNOW

PLIZZKEN haben 2021 ihr Debüt-Album veröffentlicht. Es war ein vielbeachtetes Debüt mit dem schönen und realitätsnahem Titel der sich möglicherweise auf die kleinen Fluchten eines jeden...

Weiterlesen

POPPERKLOPPER - wahnsinn weltweit

34 Jahre gibt es POPPERKLOPPER nun schon und abgesehen von ihren musikalischen Outputs Anfang der 2000ner und ihren unvergesslichen Bandnamen, weiß ich eigentlich nicht so viel von ihnen. ...

Weiterlesen

WOLFWOLF - TOTENTANZ

Die ersten Sekunden sind kaum ertönt, da denke ich, hat mir da jemand den Wolf im Wolfspelz verpackt. Das klingt ja wie Sparky von Demented Are Go, was da aus den Boxen kommt. Ist WOLFWOLF ein...

Weiterlesen

YELLOW UMBRELLA - THE YELLOW ALBUM

Es gibt ja immer wieder Veröffentlichungen die aus dem Rahmen fallen. Sei es, dass die Verpackung besonders schön und aufwendig gestaltet wurde oder dass es sich um eine besonders seltene...

Weiterlesen

BRIGATA VENDETTA - THIS IS HOW DEMOCRACY DIES

BRIGATA VENDETTA, bei dem Bandnamen muss man schon an den Punkrock-Katalog denken, von dem sich alle bedienen um die bekannten Klischees und Codes zu bedienen. Man muss aber auch neidvoll...

Weiterlesen