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Resist to Exist 2010 - Berlin

20.08.2010

Vom 6. bis 8. August 2010 war es wieder soweit: Für drei Tage hieß es für die tiefste Ost-Berliner Plattenbauregion Ahrensfelde laute Musik, jede Menge Chaoten und sicherlich auch Kulturschock, denn: das RESIST TO EXIST war wieder da. Nun schon zum vierten Mal auf dem Roof-Gelände, nachdem es sich nach der mittlerweile zu klein gewordenen OpenAir-Bühen im Biesdorfer Park einen neuen Austragungsort suchte. Dennoch ist es immer noch NonProfit-orientiert und das Bier ist immer noch nicht teurer geworden, sehr solidarisch. Nachdem mir zu Ohren gekommen war, dass die Besucherzahlen auf dem diesjährigen Force Attack stark zusammengebrochen zu sein scheinen, merkte ich auf dem RESIST Derartiges nicht, schien mir gleich bleibend gut besucht wie auch die Vorjahre, zumal ich denke, wer einmal den RESIST-Geruch geschnuppert hat, kommt davon so schnell nicht mehr los und wird auch wieder zum Festival kommen. Nicht nur, weil es verkehrstechnisch gut angebunden ist, sich der Ticketpreis in Grenzen hält, sondern, weil das RESIST zum Einen ein LineUp aufweist, das sich gewaschen hat, zum Anderen dennoch eine familiär-friedliche Atmosphäre, ein recht übersichtliches Festivalgelände hat (Zeltplatz, erste Bühne, zweite Bühne, Biertresen: das alles ist in einer Minute erreichbar) und trotzdem gut durchorganisiert ist. Das Programm fließt hierbei nahtlos ineinander über, Small Stage und Main Stage wechseln sich mit der Beschallung ab, kommt von der einen Bühne Krach, hat auf der anderen Ruhe zu sein. Somit hat man die Möglichkeit, sich auch wirklich jede Band anzusehen.

Der erste Höhepunkt war schon Freitag für mich die OHL. Wenn ich auch neben dem ganzen Dagegensein nicht ganz weiß, wofür OHL nun eigentlich steht, hat ihre provokante Art es mir doch angetan. Irgendwo tief hinter der militanten Fassade unterstelle ich ihnen doch großen Sarkasmus. Vor der Bühne haben sich nun etwa 400 Leute eingefunden und mit steigendem Alkoholkonsum steigt auch die Stimmung. Nach dem propagandistisch anmutenden „Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit“-Parolengeknüppel der OHL durfte ich unfreiwillig auch hinter die Festivalkulissen schauen, nachdem ich (ich denke unabsichtlich) eins auf die Nase gekriegt hatte. Auch im Backstage alles bestens organisiert, freundlich zuvorkommende und überfürsorgliche Leute vom Sanitätsdienst, wenn man auf einem Festival eigentlich seine Zeit woanders als im Sanitätshaus verbringen sollte, dennoch sehr angenehm dort. Pünktlich zu den KAFKAS war ich wieder fit. Nach dem Hören ihrer neuen CD „Paula“, die doch auf weite Strecken mehr elektronische Klänge aufweist, war ich gespannt, wie sie das live umsetzen würden. Keyboard und Elektrodrums kamen zwar bei den „Elektroliedern“ a la „Klatscht in die Hände“ vom Band, dennoch eine tolle Show mit altgewohnt KAFKAistischen Showelementen wie die Publikumsbolognese oder Sitzpogo. Dafür neu: Eine zweite Gitarre oder besser gesagt ein zweiter Gitarrist auf der Bühne. Im kurzen Gespräch mit Markus von den KAFKAS sprach auch dieser vom familiären Charakter des RESIST, welcher auch ihm sehr gefällt. ZAUNPFAHL schlossen den Freitag-Abend heroisch ab. Fleißig befeiert von den etwa 1000 Leuten vor der Bühne ertönten alle Lieder, die das ZAUNPFAHL-Herz höher schlagen lassen inklusive (wie bei keiner andere Band) Pogo bis fast in die letzte Reihe.

Nach einer langen Nacht, schließlich fährt man nichts auf ein Festival, um dort zu schlafen, kämpften Samstag Mittag die BlumentoPferde als erste Band des Tages gegen den Kater der etwa 20 Menschen vor der Bühne an, der Sänger war sichtlich wenig euphorisch über die nicht vorhandene Reaktion des Publikums. Ansonsten hielt der Samstag noch einige Juwelen des Deutschpunks für das Publikum bereit wie zum Beispiel MISSBRAUCH aus München, die DÖDELHAIE, ACK, COR und den Samstags-Headliner FAHNENFLUCHT. Die Haie aus Duisburg um den charismatischen Sänger Andy waren hierbei die Einstimmung auf den Abend. Andy steckt so voller Humor, jedes Haie-Konzert lebt auch gleichzeitig von ihm mit, egal, was er sagt, er schafft es immer, mich zum Lachen zu bringen. Und dennoch bringen sie jedes Mal wieder eine politische Botschaft rüber. Sehr gute Mischung. Wie die Haie von Andy leben, leben die Rügener COR mit ihrer Parole „Freistil, Kampfstil, Lebensstil“ von Sänger Friedemann, der mir bei jedem Konzert ein wenig stärker tätowiert erscheint. Was die vier Inselbewohner live für eine Kraft versprühen, das ist schon einzigartig. Wenn auch RAWSIDE leider absagen mussten, beendeten FAHNENFLUCHT dennoch einen fantastischen Festivaltag mit einer wie gewohnt fitten, sauberen, energiegeladenen Show und präsentierten auch schon einen Vorgeschmack auf das kommende Album. Ich bin jedenfalls schon gespannt darauf. Den dritten und letzten Festivaltag eröffneten INKOMPETENT. Eine mir bis dato unbekannte Band, die ich dennoch kurz erwähnen will. Sie waren jedenfalls genau das richtige für den Beginn eines dritten Festivaltags, wenn man schon arg erschöpft ist und wiederholt mit einem Kater kämpft. Die Jungs aus Luckenwalde präsentierten sich vollkostümiert und boten eine comedyreife Show, performten zum Beispiel Rammstein-Lieder in ihren grellbunten Kostümen mit leicht verändertem Text („Der Schuh passt nicht“ statt „Du hasst mich“), sodass diese vollkommen unglaubwürdig und aus ihrem Kontext gerissen wirkten. Ein Grinsen konnte sich dabei keiner verkneifen. Ein kleiner weiterer Höhepunkt des Sonntags bevor Skarface das RESIST 2010 beendeten waren sicherlich die Bernauer Bierchansonisten von OXO86, die dem Festivalpublikum die fast letzten Kraftreserven raubten und sich in gewohnter Manier mit ihren drei (ich würde mal schätzen) vierjährigen Kindern auf der Bühne präsentierten (Sänger von OXO: „Bitte unterlasst das Werfen von Plasteflaschen auf die Bühne. Was sollen denn meine Kinder denken? Dass Ihnen das Pfandgeld zugeflogen kommt? Mit dieser Einstellung werden die ja nie mehr arbeiten gehen. Das wird mich hohen erzieherischen Aufwand kosten, das aus denen wieder rauszukriegen“). Noch ein letztes Bier zum solidarischen Tiefpreis trinken und dann ab nach Hause.

Alles in allem wieder ein fantastisches Festival, für das ich sogar ein Weilchen fahren würde, wenn es nicht vor meiner Haustür läge. Nächstes Jahr wieder!


Geschrieben von Chris am 21.08.2010, 00:00 Uhr


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