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RESIST TO EXIST 2011

17.08.2011

„Eine Menge Stress, eine geile Party und ein riesen Berg Müll! Natürlich aber auch das großartige Engagement aller ca. 250 freiwilligen Helfer! Zu allerletzt wie in jedem Jahr das Ringen mit der Abrechnung und die Hoffnung sich nicht all zu sehr in die finanzielle Scheiße geritten zu haben!“ Daran denkt Thommäs vom RESIST-Team, wenn er am Mittwoch nach dem RESIST TO EXIST 2011 zusammenfassend an die vergangenen sieben Tage denkt. Das RESIST TO EXIST gehört nun schon zum Berliner Sommer wie das Huhn zum Ei. Oder das Ei zum Huhn. Wie rum auch immer, gesagt sein soll lediglich: Das RESIST ist ein fester Bestandteil des Berliner Sommers! Ganz sicher ist das RESIST auch eines dieser Festivals, das man ein Mal besucht und danach angefixt vom RESIST-Charme immer wieder besuchen wird. So erging es zumindest mir. Auch 2011 zeichnete sich das RESIST wieder durch einen ganz eigenen Charakter aus und grenzt sich so vom Mainstream der Festivallandschaft ab.

Das RESIST zeichnet sich insbesondere durch die große Zahl der Sympathisanten und freiwilligen Helfer aus und natürlich durch den DIY-Ansatz. Das Stammteam des RESIST umfasst etwa 20 Leute, die quasi ehrenamtlich Jahr für Jahr aufs Neue den Berg der Bürokratie besteigen und die Lawine staatlicher Auflagen erfolgreich versuchen zu bewältigen. Und sich ganz nebenbei natürlich noch um die gesamte Organisation, wie auch das Bandbooking kümmern. Neben dem festen RESIST-Team arbeiten jährlich noch 250 Helfer_innen an der Umsetzung des Festivals in den Bereichen Auf- und Abbau, Catering, Sanitäter, Security, Technik und Tresen. Bei Letzterem will ich noch anmerken, dass es das RESIST weiterhin schaffte, eine Politik des solidarischen Bierpreises zu fahren: Bei einem Preis von 1,50 Euro für ein frisch gezapftes Bier kann sich wohl keiner beschweren. Auch die Frage, ob Fremdalk mit auf das Festivalgelände genommen werden darf, stellt sich dem RESIST nicht: Natürlich ja!

Eben jene 200 Herlfer_innen erhalten für ihren Einsatz auf dem RESIST neben dem freien Eintritt lediglich 5 Biermarken. Wer sich dies einmal genauer bedenkt, kann sich schon denken, wie sehr das RESIST vielen Berlinern am Herzen liegt. Zu Recht. Gerade dies macht das RESIST letztlich auch zu einem Festival von der Szene für die Szene.

Konnte das RESIST alle Hürden im Vorfeld des Festivals meistern, erging es anderen DIY-Festivals leider anders, so musste schließlich das diesjährige BREAK THE SILENCE abgesagt werden aufgrund zu großer Umsetzungsschwierigkeiten. Denn allein die finanziellen Aufwendungen für ein Festival dieser Größe wollen schließlich gedeckt werden. Wirkte das RESIST 2011 für mich besser besucht als die Festivals der Vorjahre, waren es dennoch weniger Besucher, die 2.000er-Grenze wurde leider nicht überschritten. Dies mag auch sicherlich damit zu tun haben, dass das Wacken oder das nicht einmal 100 km von Berlin entfernte alljährliche und kostenfreie Haltestelle Woodstock stattfand mit, wie mir zu Ohren kam, teilweise sogar 900.000 Besuchern. Ja, unvorstellbar, aber ich war dort selbst schon 3 Mal und es ist wirklich unvorstellbar groß. Bands wie die DONOTS, FARBEN LEHRE und PRODIGY ziehen dann natürlich auch viele Berliner, die sonst das RESIST besucht hätten, nach Polen. Was sich daraus für ein eventuelles RESIST 2012 ableitet, kommentierte Thommäs für mich mit den Worten:

Die 2.000er Marke konnten wir leider nicht knacken, wobei dies aus finanzieller Sicht mehr als notwendig gewesen wäre. Resultierend werden wir uns für - sollte es dies denn geben - das RESIST 2012 ein wenig neu orientieren müssen. Ob sich dies in einer reduzierten Bandanzahl äußert, an nur 2 statt 3 Tagen, kleineren Bühnen, höherem Eintritt, teurerem Bier oder was auch immer ist derzeit mehr als offen. Fakt ist jedenfalls, dass die benötigten Einnahmen nicht rein gekommen sein dürften. Aktuell drehen sich unsere Finanzleute zig Mal im Kreis um einen finalen Stand kommunizieren zu können“.

Zumal sich einige Bands auf dem RESIST 2011 auch schon auf fast jedem Line-Up der Vorjahre wiederfinden lassen wie POPPERKLOPPER, FAHNENFLUCHT, RASTA KNAST und ALARMSIGNAL. Dennoch hielt das RESIST auch diverse Leckerbissen bereit.Das Gelände wie auch der Zeltplatz waren gewohnt überschaubar, dennoch konnte man sich auch auf dem Zeltplatz ein, wenn man denn so wollte, stilles Plätzchen suchen.

Den Freitag eröffneten die Berliner TEMPO 30, nachdem sie einen Bandwettbewerb Battle to Resist für sich entschieden. Klar, 15h gleicht das Festivalgelände noch einer Geisterstadt und auch der Zeltplatz erinnert eher an vereinzelte Wildcamper, dennoch war ich voller Vorfreude, auch 2011 wieder mit von der Partie zu sein. Gerade für mich als Berliner gleicht das RESIST einem Klassentreffen, hier sieht man viele bekannte Gesichter und alte Freunde wieder, die man das letzte Mal exakt vor einem Jahr auch auf dem RESIST sah. Ganz besonders freute ich mich am Freitag auch auf die Band NI JU SAN. Diese hatte jedoch kurzfristig am Vortag abgesagt, wie ich erfahren musste. Ein mindestens ebenso guter Ersatz wurde jedoch kurzfristig gefunden: KASA aus Hannover. Bis die Leute vor der Bühne erst merkten, dass auf der Bühne nicht NI JU SAN, sondern KASA stehen, verging schon mal die eine oder andere Minute, als dann aber auch beim letzten der Groschen fiel, waren die Mienen eher erfreut als enttäuscht. Jetzt war es schon recht voll vor der Bühne mit etwa 400 Besuchern. KASA spielten einen feinen Mix aus älteren Stücken und „neueren“ von deren letzter Platte „Rock `n Roll und Schafe schubsen“. Auch wenn Atti (Gesang / Gitarre) behauptete, die letzte Probe sei sehr lange her gewesen: Das hat man wirklich nicht gemerkt. Gut, bei drei bis vier Akkorden pro Lied soll das auch kein unüberwindbares Problem darstellen, aber immerhin die Texte muss der Herr am Gesang sich ja doch merken. Und die bestehen schließlich aus mehr als drei bis vier Worten… Gefolgt von ALARMSIGNAL spielten am Freitag SIK, die ich schon erwartete. SIK habe ich selbst noch nie live gesehen und bisher auch nur am Rande und vom Namen her gekannt. Vor einigen Wochen fiel mir dann jedoch ihre 2009er und somit letzte CD „Hältst du still?!“ in die Hände, die mich absolut überzeugte: Der Beweis, dass es eine Band auch 2009 noch schafft, hervorragenden Deutschpunk hervorzubringen, der dennoch frisch und neu klingt und sich dennoch treu bleibt, die Band ihren eigenen Stil weiter fährt und sich nicht neu zu finden sucht, wie es mir zum Beispiel bei der Band auffiel, die nach SIK spielte: FAHNENFLUCHT. Deren letztes Album „Schwarzmaler“ konnte mich leider überhaupt nicht überzeugen, klang es in meinen Ohren doch eher wie der gescheiterte Versuch, ein wenig nach Bands wie RISE AGAINST zu klingen. Live spielten FAHNENFLUCHT zum Glück dann doch eher ihre Klassiker, statt deren Schwarzmaler-Lieder. Mein Höhepunkt für Freitag war unbestritten BUMS, eine Band in deren live-Genuss ich auch noch nie kam. Leider. Vielleicht lag es auch an fortgeschrittenem Alkoholpegel, aber die Jungs haben mich live absolut überzeugt. Es wurden alte BUMS-Lieder (also FLUCHTPUNKT TERROR-Lieder) wie „Los, steht endlich auf“ gespielt und auch alle BUMS-Klassiker, die auch ein jeder kennt, der die Band selbst nicht einmal kennt. Als ich vor etwa einem halben Jahr die BUMS-Platte „neun zehn null neun“ das erste Mal hörte, blieb mir zugegeben der Mund offen stehen und ich dachte „wollen die den verehrten Hörer jetzt verscheißern?“, aber nein, BUMS sind bekennende BVB-Fans, was sie auf dieser dem BVB gewidmeten Platte auch wirklich in jedem Lied äußern müssen, was in unendlich Flachen Zeilen wie „Wir halten zusammen in Freude oder Schmerz, schwarz-gelbe Wand, welche Farbe hat dein Herz“ oder die bis zum Erbrechen oft wiederholte Phrase „Nur der BVB“ endet. Ich als bekennender Atheist solcher Fußballreligionen finde so was dann doch echt amüsant. Hörte ich die Platte zuerst auf voller Lautstärke, nur, um meinen Mitbewohner damit zu ärgern, ergab sich daraus eine regelrechte Spaß-Begeisterung und so freute ich mich dann auf dem RESIST 2011, als BUMS sich erbarmten, als Zugabe sogar einen BVB-Song zu spielen, den jedoch dann nicht mehr viele Hörer mitgrölten.

Das Line-Up von Samstag wartete auf mit Bands wie RASTA KNAST, POPPERKLOPPER oder NO EXIT, die ihr gewohntes Set spielten, welche der erfahrene RESIST-Gänger nun wohl schon in- und auswendig kennt. Der Samstags-Headliner was OI POLLOI, die schottischen Legende, welche sich schon im 30. Jahr des Bandbestehens befindet. Das Festival beendeten am Sonntag Bands wie the OFFENDERS, BRUTAL POLKA oder die BAD NENNDORF BOYS, welche wenigstens ein kleiner Trost war für alle die, die sich schon auf OXO 86 freuten. OXO 86 haben schließlich aufgrund bandinterner Schwierigkeiten alle weiteren Konzerte abgesagt. Hoffen wir mal, dass die Bernauer Bier-Chansonisten ihre Problemchen wieder gebacken kriegen.

Eine wesentliche Neuerung des RESIST 2011 war das erstmals errichtete After-Show-Zirkuszelt für alle die, die nach 24h noch nicht zum Zelt zurückkehren wollten, in dem auch Szenedokumentationen wie „Nazis im Hardcore“ gezeigt wurden.

Das RESIST TO EXIST 2011 erfüllte wieder alle Erwartungen und besticht durch seinen familiären Charme und seine dennoch bestens durchorganisierte Struktur. Ein wahres Festival von der Szene für die Szene. Damit das RESIST auch weiterhin ein fester Bestandteil der hochkarätigen deutschen Festivallandschaft und des Sommers in Berlin bleiben kann, kann ich allen Berlinern nur empfehlen, Soli-Veranstaltungen des RESIST-Teams zu besuchen, damit auch 2012 das RESIST wieder ein voller Erfolg werden kann.

Atti (KASA / RASTA KNAST) fasste für mich den Charme des RESIST mit folgenden Worten bestens zusammen:„Ich finde, es ist ein sehr schönes Festival, es zeichnet sich insbesondere durch die ehrenamtliche Organisation und eine wirklich freundliche Atmosphäre aus. Hier sind nette Menschen, keine prügelnden Securities, wenig Aggression und man kann hervorragend kacken“. Danke an Atti für diese hervorragende Zusammenfassung.

Weiterhin vielen Dank an Thommäs für die Beantwortung einer letzten Frage, die sicherlich keine inhaltlichen Fragen zum Thema Resist to Exist offen lässt:

Der Festivalname RESIST TO EXIST entstand als Pendant zur Privatisierung des Biesdorfer Parks in Ost-Berlin. Das Festival findet nun schon mehrere Jahre nicht mehr auf der Parkbühne Biesdorf statt. Was bedeutet für euch RESIST TO EXIST im Jahr 2011?

Ob es sich nun um den Biesdorfer Park als Freiraum für alternative Kultur handelt oder um ein Industrieareal am Rande Berlins ist letzlich egal. Das Problem dahinter bleibt das gleiche: Klubs schließen, Häuser werden geräumt, Jugendzentren erhalten immer weniger Zuschüsse, Proberäume werden streitig gemacht, Szenekneipen und -läden müssen schließen weil die Mieten unerträglich nach oben geschossen sind - kurzum heißt das eigentliche Problem Gentrifizierung und gesellschaftliche Ausgrenzung! Wenn man bedenkt, dass Schokoladen, KVU, Drugstore (damit auch die Potse), Köpi, XB und und und aktuell schließungsbedroht sind, bleibt am Ende für die subversive, kritische, alternative Kultur Berlins nicht mehr viel Freiraum übrig. Der Biesdorfer Park war damals eine der ersten, direkt sichtbaren Entwicklungstendenzen innerhalb des "neuen" Berlins. Der Bezirk Prenzlauer Berg spricht in diesem Kontext sicherlich Bände. Neu-Kölln, X-Berg und F-Hain machen es gerade nach. Was bleibt da am Ende noch für Menschen, die sich kulturell engagieren und dem gentrifizierenden Mainstream nicht hinterher hetzen möchten? Richtig: Verbrannte Erde! Das Motto und der Name RESIST TO EXIST ist somit wohl aktueller als zur Gründungszeit des Festivals! Freiräume schaffen! Freiräume gestalten! Freiräume verteidigen!


Geschrieben von Chris am 18.08.2011, 00:00 Uhr


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