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YOK


Seit 40 Jahren auf der Bühne stehen, wer kann das für sich sagen?
YOK gehört zu denen, die seit 40 Jahren auf Bühnen stehen. 
YOK hat mit Straßenmusik angefangen, ist mit Quetschenpaua (solo) sowie mit Tod & Mordschlag (Band) bundesweit bekannt geworden. Hat dann solo weiter gemacht und angefangen sein Leben aufzuschreiben. Das hat er einmal in seiner sehr lesenswerten Quetschenpaua Autonomografie "Nichts bleibt" zu Papier gebracht und auch in seinen zwei Büchern "Punkrocktarif: Mit dem Taxi durch die extreme Mitte" sowie "Taxitanic: Taxifahren ist wie Punk, nur mit Reifen und ohne Saufen". Die beiden letztgenannten Bücher beinhalten viele Geschichten die YOK während seiner Zeit als Taxifahrer erlebt hat. 
YOK ist nicht nur in der linken Szene aufgewachsen, sondern immer noch in dieser verwurzelt. Er hat viel erlebt, viel mitgemacht, viel gesehen. Er spricht jedoch nicht davon, dass früher alles besser war (obwohl es so einiges gibt), sondern er blickt nach wie vor nach vorne. 
Wer YOK solo oder mit seiner aktuellen Band OPTION WEG einmal gesehen hat, wird die Lebensfreude und die Energie gespürt haben. YOK hat eine Energie die Kraft gibt, die Mut macht. Beides ist in dieser Zeit ein rares Gut.
Nachdem YOK im Berliner Schokoladen aus seinem Buch "Taxitanic: Taxifahren ist wie Punk, nur mit Reifen und ohne Saufen" in kleiner Runde vorgelesen hat, war er so freundlich wenige Tage später ein paar Fragen zu beantworten.

Die Bücher von YOK sind absolut lesenswert und sind hiermit zum Kauf empfohlen.Insbesondere "Nichts bleibt" hat mich sehr berührt.

Geschrieben von Frank Gestern, 20:08 Uhr


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F: Am 02.05.2025 erschien mit "Taxitanic" dein zweites Buch mit 
    Geschichten
aus deinem Leben als Taxifahrer. Mittlerweile hast du aufgehört Taxi zu fahren. Waren die Erlebnisse langfristig zu verstörend?

Y: "Langfristig verstörend" war nichts. Da steigen eine Menge besondere Leute
    ein und aus, mit denen ich mehr oder weniger kommunizieren muss, aber mir hat ja nie jemand eine Waffe an Kopf gehalten oder mich von hinten gewürgt oder ähnliches. Manche Erlebnisse haben länger in mir gewohnt als andere und so einiges habe ich entsprechend auch aufgeschrieben, um es zu verarbeiten.

F: Siehst du das Taxi als eine Art Schutzraum für die Fahrgäste, wo sie
    offener sprechen als außerhalb?

Y: Manche nutzen es tatsächlich genau dafür. Insbesondere einsame alte
    Menschen kommen manchmal regelrecht ins Plaudern und erzählen krass persönlich und emotional. Die haben oft niemanden mehr. Die fahren vom Arzt nach Hause und von zuhause in Supermarkt. Punkt. Das war es. Reizarmes und reduziertes Leben ohne viel Teilhabe. Da kann so eine Taxifahrt schon mal zum besonderen Event werden, um sich mal auszusprechen.

F: Du bist so lange Taxi gefahren, welche Veränderungen konntest du im 
    sozialen, gesellschaftlichen Kontext erleben?

Y: Das, was draußen auch passiert. Die Leute trauen sich wieder viel mehr,
    Dinge auszusprechen. Ich halte es für eine Errungenschaft, erst einmal nachzudenken, bevor wir etwas sagen. Viele haben aber wieder Bock, einfach mal drauf los zu plappern und wollen alles sagen dürfen. Auch die doofen Sachen, das Unempathische, das Rassistische...alles halt.
So etwas nervt übertrieben, auch im Taxi.

F: Würdest du heute jemandem empfehlen, Taxifahrer zu werden?
     
Lohnt sich das noch?

Y: Definitiv nein, ich habe meinen Job verloren, weil der Betrieb nicht mehr
     wirtschaftlich arbeiten konnte. Die realen Umsätze konnten in den letzten Jahren schon nicht mehr den Mindestlohn generieren.
Die Branche stirbt gerade.

F: Du hast in den letzten Wochen mehrere Lesungen aus deinem Buch
     "Taxitanic" gemacht. Wie waren die Reaktionen?

Y: Die Lesungen waren fast durchweg super. Die Reaktionen sehr positiv. Das
     Buch funktioniert gut, habe ich gemerkt. Ich verknüpfe jede Geschichte mit gesellschaftlichen Diskursen. Wie und was kommunizieren wir im öffentlichen Raum?! Das ist mein Thema. Strategien entwickeln in unbequemen Situationen, sich fit machen für schwierige Gesprächspartner*innen.

F: Du bewegst dich viel in Berlin-Neukölln, Kreuzberg und Umgebung. Wie
     hat sich das Leben dort, für dich und im Gesamten in den letzten 20 Jahren verändert?

Y: Gefühlt ist alles voller und doppelt so teuer geworden. Der Stresspegel nimmt
     zu, die sichtbare Armut auch. Die physische und psychische Instabilität vieler Menschen siehst du an jeder Straßenecke. Die meisten kämpfen auf die eine oder andere Art ums Überleben.

F: Dein Leben hat sich größtenteils im linken und linksradikalen Spektrum
     abgespielt, wie siehst du diese "Szene" momentan aufgestellt,
     insbesondere was die Gefahr von Rechts betrifft?

Y: Es ist ein großer Unterschied zu damals. Aber es hilft ja niemandem, das
    miteinander zu vergleichen. Auf der Straße waren wir schlichtweg wehrhafter. Das macht viel aus für das Selbstbewusstsein sozialer Bewegungen. Wenn du ständig nur herumgeschubst wirst und auf die Fresse kriegst, schwindet irgendwann auch deine Motivation. Oder du bekommst irgendwann einfach Angst, die dich lähmt. Und die Herrschenden nehmen Protest und Widerstand noch weniger ernst als in vergangenen Tagen. Sie nehmen aber auch die großen NGOs wie amnesty international, medico oder greenpeace nicht mehr ernst. Sie beachten mit großer Gelassenheit das Völkerrecht nicht mehr. Sie scheißen auf die Menschenrechte. Die Gefahr von rechts ist riesig, und das Wort Antifaschismus findest du in fast keinem Parteiprogramm. Schlechte Zeiten für emanzipierte Ideen.

F: Im linken Bereich gab es lange Zeit eine starke Anti-Militaristische-bzw
    pazifistische Strömung. Diese hat sich meiner Ansicht nach, mit Beginn des Ukraine-Krieges fast aufgelöst. Wie siehst du das?

Y: Ich habe diese Strömung nie als besonders stark wahrgenommen. Sie hatte
     immer das Problem, dass sie gegen "realpolitische Notwendigkeiten" wenig Argumente hatte. Ich fände es richtig, wieder mit radikalen Forderungen loszulegen, die die komplette Entmilitarisierung anstrebt. RHEINMETALL ENTWAFFNEN ist aber auch ein Anfang!

F: Wie ist es für dich auf der Bühne deine Stimme zu erheben, Punkte
     anzusprechen die dir wichtig sind, auch in dem Bezug dass dir zugehört wird und du Denkanstöße geben kannst?

Y: Das fühlt sich für mich sehr "normal" an, weil ich es seit über 40 Jahren
     mache. Sich ins Verhältnis zum System zu setzen und gemeinsam zu schauen, wie wir an den Verhältnissen rütteln können, war immer schon Triebfeder meines Schaffens. Das sind aber kollektive Prozesse. Ein Auftritt kann ein Anstoß sein, so wie du es auch beschreibst. Texte und Statements müssen danach in Diskursen weiterwirken. Gedanken müssen in Bewegung geraten und daraus kann Handeln werden.

F: Du hast viele Jahre auch auf der Bühne gestanden, sowohl Solo als
    auch mit Bands. Wie sind deine musikalischen Pläne?
Steht was an? Hast du Ideen für neue Projekte?

Y: Es steht nichts konkretes an. Das Buch ist frisch draußen und damit werde
    ich noch ein paar Lesungen machen. Ich freue mich über Anfragen.
Option weg, meine aktuelle Band, spielt im Oktober und November auf jeden Fall in Hamburg, Göttingen und Berlin.
Solo kleckert auch immer mal wieder was rein. Ich mach mir keinen Stress mehr. Ich mach, was ich schaffe, worauf ich Bock hab und worin ich Sinn sehe.
Mit fast 63 Jahren plane ich jetzt auch keine neuen Projekte. Hätte vielleicht Lust, nochmal eine Rolle in einem Spielfilm zu spielen. Vielleicht so wie Dave Johns in ME DANIEL BLAKE von Ken Loach, der ja sehr überraschend an diese Hauptrolle kam. Er ist eigentlich Comedian und Ken Loach wollte ihn für den Film wohl unbedingt haben. So etwas wünsch ich mir. Und das ist halt auch nicht irgendein Film, sondern wirklich beste Sozialstudie und politisch großartig wie fast alles von Ken Loach. Ansonsten schaue ich nicht mehr so weit nach vorn. Mal gucken, was im Alter überhaupt noch so geht...

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