Pa|ra|sit, der; lat. parasitus < griech. parásitos = Tischgenosse. Mit welchen Genossen, oder sollte ich besser sagen Genossinnen habe ich es denn hier und heute zu tun?
rAff: Oh, das ist aber freundlich von dir: Du hast die netteste aller Definitionen herausgesucht! ;) Ich nehme an, du hättest jetzt gerne, dass wir uns vorstellen. Also, ich bin rAff und seit dem 01. April 1996 Sängerin bei DIE PARASITEN.

Das klingt, als sei dieses Datum gar nicht die Geburtsstunde der eigentlichen Band gewesen. Wann und unter welchen Bedingungen ging es in den Kreissaal?
rAff: Doch, das ist der Geburtstag! :)

Dann hätte ich doch gerne noch etwas mehr über die Umstände der Niederkunft gewusst. Wer mit wem, warum und vor allem wie genau?
rAff: Damals haben Laura, Britta, Mone und ich beschlossen, eine Band zu gründen - ohne wirklich was zu können, wie das halt so ist... ;) Bands wie Die Toten Hosen und Die Ärzte haben das einem ja großartig vorgelebt. Und so haben Mone und Britta sich E-Gitarren und kleine Combos gekauft, wir haben ein altes Schlagzeug besorgt und ich habe mir ein billiges Mikro und einen Bassverstärker gekauft, über den ich gesungen habe. (Sowas wie eine Gesangsanlage kannten wir viele Jahre gar nicht!) Der 1. April '96 war glaub ich ein Samstag, wir haben uns "cool" angezogen, haben in der Pommesbude gegessen und sind dann mit unseren Fahrrädern und ein paar Dosen Bier bewaffnet zu der alten, ausgebauten Scheune gefahren, in der wir anfangs geprobt haben. Es gibt sogar ein Foto von diesem historischen Tag! [siehe Anhang] Das war in unserem Heimatort Grefrath (bei Viersen, Nähe holländische Grenze). Damals saß Laura hinter dem Schlagzeug. Einen Bass hatten wir noch nicht. Das änderte sich, als ein Jahr später (1997) Isi hinzustieß, die einige Jahre jünger war als wir und beim "Casting" ganz mutig behauptete, sie könne Schlagzeug spielen, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch nie einen Stick in der Hand gehalten hatte. Als sie uns ein paar Komplimente zu unseren scheppernden Proberaum-Aufnahmen gemacht hatte, die wir ihr auf Kassette (!) vorgespielt hatten, war sie engagiert, ohne auch nur irgendetwas vorgespielt zu haben! :) Laura übernahm dann den Bass, was sie eigentlich sowieso von Anfang an gerne wollte. Ja, und dann wurden erste Welthits wie "Samstagabend" oder "Spießerschweine" geschrieben... :) Ob es DIE PARASITEN nun seit 13 oder 14 Jahren gibt, ist Ansichtssache. Da wir ab 1997 die komplette, klassische Besetzung hatten (Schlagzeug, zwei Gitarren, Bass, Gesang) geben wir das in unserer Bandinfo etc. als offiziellen Beginn an.

Ach ja, die gute alte Zeit. Man war noch jung, rebellisch und wollte irgendwie aus der Spießbürgerlichkeit ausbrechen. Oder warum wurde keine Unterhaltungskapelle mit elektronischem Tasteninstrument gegründet, mit der man zum 80. Geburtstag von Omi aufspielen und sich damit sein viel zu geringes Taschengeld aufbessern konnte?
rAff: Wir haben im Jugendchor gesungen. Das reichte um unsere Omas zu beeindrucken... ;)

Könnt ihr es heute als die richtige Entscheidung unterstreichen, in stickigen Gewölben vor einer schweißtriefenden Meute zu stehen, statt mit dem Onkel Pater ein paar fröhlich-fromme Liedchen zu trällern? Welche Ereignisse würdet ihr gerne sofort aus der Erinnerung blitzdingsen?
rAff: Es gibt einige unangenehme und sogar eklige Erlebnisse, die wir aber alle nicht aus unserer Erinnerung löschen möchten, da sie ja ein Teil der Parasiten-Geschichte sind und im Nachhinein ja auch eher amüsant sind...

Wenn diese Erlebnisse noch so präsent sind, würde sich das Ein oder Andere davon doch sicher perfekt dazu eignen, erzählt zu werden.
rAff: Viele Übernachtungsmöglichkeiten und die zwangsläufig damit zusammenhängenden Menschen zählen auf jeden Fall dazu. Oh, und Tiere wie mir gerade einfällt: Wir hatten ein Konzert in Linz und ich wurde plötzlich nachts wach, weil ich von einem sehr real wirkenden Zungenkuss träumte und weckte meine ganze Band mit einem lauten Schrei, als ich registrierte, dass mir gerade eine Perserkatze namens Garfield das Gesicht abschleckte... (das Vieh hieß wirklich so!)

Leute, die sich vor der Bühne ausgezogen haben, gehören auch zu den Erlebnissen, die ich lieber aus meiner Erinnerung verdränge. Oder wie eine Band es ungemein witzig fand, heimlich mit unserem Fotoapperat ihre Genitalien abzulichten - damals als es noch keine Digitalfotografie gab, war der Überraschungseffekt ungemein hoch, als man die entwickelten Bilder abholte! ;)

Ein Erlebnis, dass die dort ansässigen Leute sicherlich gerne aus ihrer Erinnerung löschen würden, wir und die mitreisenden Bands aber ungemein lustig fanden, war mein Hackfleisch-Massaker in einem bekannten Berliner Laden, in dem wir seitdem Hausverbot haben... Und so könnte ich hier noch seitenweise weiterschreiben...

Zum machohaften Gehabe pubertierender Jungs, die sich bunte Haare aufgesetzt haben, um anders zu sein als andere. Was veranlasst einen dazu, es in diesem Umfeld ausgerechnet mit einer reinen Mädels-Band zu versuchen. War das von Anfang an so geplant, sollte es für immer so bleiben, fanden sich keine geeigneten männlichen Musiker oder seid ihr einfach nur strikte Emanzen?
rAff: Kein Interview in den 14 Jahren, in dem nicht eine ähnlich formulierte Frage gestellt wurde... Ich will sie dennoch ein letztes Mal beantworten. Wir haben bei der Gründung damals gar nicht so sehr über diesen Punkt nachgedacht, dass wir ja alle Mädels sind. Man hat sich halt seine besten Freunde zusammengeklaubt und was damals im Vordergrund stand, war vielmehr dieses DO ANYTHING YOU WANNA DO-feeling! Dass wir mit einer reinen Frauenband etwas exotisches darstellen, wurde uns erst nach und nach bewusst... Mittlerweile ist es aber ja auch gar nicht mehr so außergewöhnlich. Wir haben in den Jahren eine Menge Mädelsbands kennengelernt. Und im 21. Jahrhundert sollte es eigentlich auch kein Thema mehr in Interviews sein... ;)

Da gebe ich dir bei Pop-Bands durchaus recht. Doch ist die Punk- und Hardcoreecke immer noch deutlich maskulin geprägt. Außerdem haben sich schon Bands wegen des Schwangerschaftsurlaubes weiblicher Mitglieder aufgelöst. Am 1. Mai 2010 soll das letzte Parasiten-Konzert stattfinden. Gibt es dafür ähnliche Gründe?
rAff: Nein, bei uns sind Tinnitus, Leberzirrhose und immer längere Regenerationsphasen nach durchgefeierten Nächten der Grund für die Bandauflösung.

Demnach sind keine Nachfolgebands geplant, Soloprojekte oder sonstige aktiven Berührungspunkte zur Musik? Zumindest ein Türchen für eine Wiedervereinigung sollte man sich heutzutage aber doch offen halten?
rAff: Eine Wiedervereinigung schließe ich so gut wie ganz aus. Es gab schon Leute, die dachten, unsere Auflösung sei nur ´ne Promotaktik. Diese Gerüchte kann ich dementieren. Natürlich kann es vorkommen, dass wir mal für gute Freunde auf ´ner Party ein paar Songs spielen werden oder ähnliches, aber DIE PARASITEN in der jetzigen Form als aktive Band wird es nicht mehr geben. Wir haben uns bewusst fürs Aufhören entschieden, weil wir nicht möchten, dass die Geschichte so nach und nach ausdümpelt, man immer weniger probt und live spielt und es dann sang- und klanglos zu Ende geht. Dafür ist mir die Sache einfach zu wichtig. 14 Jahre sind kein Pappenstil und die sollte man mit ´nem richtig fetten Abgang würdigen! Der Verstand sagt "Es ist besser so" und das Herz weint...

Zu anderen Projekten: Nora spielt bereits noch in zwei weiteren Bands: PREGNANT (Skapunk) und RAGING MANTIS (Progressive Rock-Metal). Und ich trällere bei der Kirmes-Kapelle A NUCLEAR WAR ON THE DANCEFLOOR (Coversongs von Turbonegro über Distillers bis zu den Ramones). Andere Sachen sind bis jetzt noch nicht geplant. Zur Zeit konzentriert sich alles nur auf den 01. Mai und was danach kommt - davon lassen wir uns selber überraschen...

Du sprichst den Tag der Arbeit selbst an. Da steigt die große Abschieds-Sause in der Kulturfabrik Krefeld. Was habt ihr für Highlights geplant und wie fühlt sich der Gedanke an diesen letzten Auftritt an?
rAff: Ich muss schon ganz ehrlich sagen, jetzt wo der Termin näher rückt, fühlt sich das schon sehr komisch an... Ich mein', wir hatten die Band unser halbes Leben! Das ist mein Baby!! Aber wie schon erwähnt, haben wir uns bewusst für das Ende entschieden und zum Glück kannten wir den definitiven Termin ein halbes Jahr vorher, so dass man sich Stück für Stück an den Gedanken gewöhnen konnte...

Highlights, wenn du die als solche bezeichnen möchtest, sind die vielen alten Songs, die wir momentan versuchen auf die Reihe zu bekommen. Einige davon sind so verstaubt, dass Nora & Jens sie gar nicht kennen und wir sie ihnen auch nicht vorspielen können, weil es keine Aufnahmen dazu gibt. Und bei Laura, Britta und mir kommen diesbezüglich auch nur nach und nach die Erinnerungen zurück... Wir lachen teilweise Tränen über unsere Texte von damals und über die Songstrukturen...

Es ist uns natürlich eine besondere Freude und Ehre, dass SFH, BETONTOD und PLANLOS uns bei unserem letzten Gang begleiten - alles Bands, mit denen uns viel verbindet! Der Abend wird außerdem von einem Ex-Mitglied einer vierten Band moderiert. Mehr wird noch nicht verraten... Ein Wehrmutstropfen für uns alle ist sicherlich, dass wir nicht vollständig sein werden an diesem Abend, sprich: nicht mit allen Ursprungs-PARAS gemeinsam die Band zu Grabe tragen können. Natürlich wird Mone wird vor Ort sein und sicherlich auch zu dem ein oder anderen Song verdonnert werden, aber leider kann Isi nicht dabei sein, da sie ja in Australien lebt.

Mein persönlicher Wunsch für diesen Abend ist, dass er nicht einfach so an mir vorbeirauscht und ich es schaffe, jede Sekunde noch mal bewusst in mich aufzusaugen...

Bei diesem Vorhaben wünsche ich dir viel Erfolg, ganz viel Spaß an dem Abend und sage herzlichen Dank für deine Geduld, meine Fragen zu beantworten. Zum Abschluss möchte ich dir noch die Möglichkeit geben, genau die letzten Worte auszusprechen, die eigentlich schon seit 14 Jahren dringend gesagt gehören, du sie aber bisher nicht auszusprechen wagtest.
rAff: Ich danke dir für's Fragen stellen und die guten Wünsche. Meine letzten Worte: Ich bin stolz auf DIE PARASITEN!!!

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