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Emscherkurve 77

15.12.2011

Seit 11 Jahren treiben EMSCHERKURVE 77 aus Oberhausen nun ihr Unwesen in der Punkrockszene.  Lieder wie „Deine Eltern sind Geschwister“, „Wunderbare Jahre“ oder „Wochenendhelden“ grölt die Punker- und Skinheadmeute auf den Konzis mit wie nix, denn EK77 verstehen es ohrwurmtaugliche Musik zu machen! Seit 11.11.2011 gibt`s nun das neue Album der Oberhausener mit dem Titel: „Dat soll Punkrock sein?“ Da hak` ich doch mal genauer nach, was es mit dem Titel auf sich hat und was die Jungs sonst noch so Aktuelles zu berichten haben, über das Album, die Szene und vieles mehr…


Geschrieben von DrunkenDork am 16.12.2011, 00:00 Uhr


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1. Vor kurzem wurde euer Album „Dat soll Punkrock sein?“
veröffentlicht. Was wollt ihr uns mit dem Albumtitel mitteilen? Hängt es damit zusammen, dass ihr es satt habt, wie in der Szene Normen und Gesetze aufgestellt werden, denen manche nicht mal selbst mehr gerecht werden? Kotzt euch auch eine gewisse Art von Besserwisserei in der Szene an?

Marcel: Um ehrlich zu sein handelt der Song über unseren alten Sänger, der ja vor fast zwei Jahren aus der Band geworfen wurde. Da herrschte so eine Art Diktatur, so nach dem Motto: Deine Riffs und Texte sind nicht Punkrock. Ich zeige dir jetzt mal wie das funktioniert. Aber es ist natürlich interessant zu lesen und zu hören, wie die Zuhörer unsere Texte interpretieren und verstehen. Und dafür sind die Texte ja auch schließlich da. Um auf deine These zurückzukommen: Na klar. Du wirst
schon komisch angeschaut wenn du eben keinen Iro, ne Glatze oder was weiß ich hast. Für mich heißt Punk immer, sein Ding
durchzuziehen. Punkt.


 2. Eure Sachen auf dem aktuellen Album gestalten sich ja thematisch recht abwechslungsreich. Es geht um die Szene, es werden Parallelen zwischen ein paar Besserwissern und Sarrazin und Guttenberg gezogen, rechnet auch mit denen ab die die meinen sich nur über ihren Iro zu definieren („Wir ham den Punk verstanden“) und lässt auch nicht eure Verbundenheit zum Ruhrpott und „Rot-Weiss Oberhausen“ außen vor. Wie kam
denn die ganze Auswahl der Songs zustande? Wer macht eure Texte und wer die Mucke?

Marcel: Ich und Daniel komponieren und texten zu Hause und sammeln erst einmal Ideen. Dann setzten wir uns zusammen und schauen was man gebrauchen kann oder auch nicht. Der Song wird dann schließlich im Proberaum "präsentiert" und als Band gemeinsam arrangiert. Das läuft alles viel viel besser als vorher. Bei den Texten ist es eigentlich wie immer. Du erlebst etwas, du siehst Dinge mit denen du dich befasst oder
schreibst einfach mal ein wenig Unsinn. Und das macht eben die Mischung aus.


 3. Ihr habt jetzt euren Gitarristen als 2. Sänger, welcher es ja auch drauf hat, wie man auf der neuen Platte hört. Wurde er ans Mikro gekettet oder hat er freiwillig mit dem Singen bei euch angefangen? Wie kam das zustande?

Marcel: Gezwungen werden musste er nicht ;-) Wir haben ja bei EK77 immer sehr viel Chorgesang, das heißt das wir schon immer viel mitgesungen haben. Und als Böhle in den letzten Monaten vor der Trennung auch nicht mehr zur Probe kam, haben wir damals schon die Vocals aufgeteilt. Der Übergang war also sehr fließend und hat uns auch keine Probleme
bereitet.

 4. Habt ihr euch bei dem Album eigentlich von anderen Bands inspirieren lassen und waren es besondere, persönliche oder aktuelle Ereignisse, die in die Texte mit eingeflossen sind? Was hört die Emscherkurve 77 denn privat, meist Punkrock oder wird der Horizont erweitert?

Marcel: Privat höre ich eigentlich alles was mir gefällt. Das reicht von Metal hin bis zum Punk und Hardcore. Ich bin da aber absolut nicht limitiert, d.h. ich habe auch kein Problem damit Schlager oder auch nen`Chart Song zu hören solange die Melodie mich berührt. Und das zählt für mich. Der Song muss mich berühren oder ergreifen. Daraus ziehe ich auch meine Inspiration für neue Ideen bei EK77. Ich denke den anderen geht es da genau so.


 5. Auf dem Album ist auch eine Punkrockversion von „Keine Lieder gegen Nazis“ oben, das ja den meisten eurer Hörer von euch bereits bekannt ist. Ihr singt ja das man besser sein Mikro gegen `nen Knüppel tauschen sollte und haltet übertriebene Phrasendrescherei im Punk ja nicht für nötig. Ich finde auch, dass man nicht in jedem Lied über das Thema „Nazis“ singen muss, da es eine Selbstverständlichkeit für jeden Punkrocker sein sollte dagegen aktiv anzugehen. Aber für manchen
Jugendlichen kann so ein typischer „Anti-Nazisong“ trotzdem oftmals die Initialzündung für seinen weiteren Lebensweg sein! Wie setzt ihr euch denn aktiv gegen Rechts ein?


Spiller: Man kann natürlich über vieles singen, aber wenn man dann nicht auch aufsteht und eingreift oder Taten folgen lässt, wird sich nichts ändern. Da sollte man evtl mal drüber nachdenken, wenn man auf irgend nem Konzert lautstark "Nazis raus" skandiert, dann aber auf dem Nachhauseweg lieber wegschaut, wenn Leute angegriffen werden. Oder wenn man als Band lieber erst mal seine Verstärker in Scherheit bringt, während sich andere mit den Nazis prügeln müssen, die deren Bühne stürmen, wie zb im Fall einer bekannten Band aus Plauen in Hamburg vor einigen Jahren.
 6. Bei euren Texten bekommt man auch den Eindruck, dass sie aus dem Leben gegriffen sind bzw. man hört es irgendwie raus, dass ihr was erlebt habt. Was hat es mit „Nicht wie Sie“ auf sich? Heuchlerische Vollidioten die einem vorne rum schön was vorschleimen und hinten rum das Messer reinhauen wollen, ist da eurer Ansicht nach ein nicht unbedeutender Teil in unserer Szene vorhanden?

Marcel: Du hast es auf den Punkt gebracht. Solche Leute sind aber nicht nur in der Szene unterwegs. Du findest sie auch auf deiner Arbeit, im Geschäft und was weiß ich wo.
 
 
 7. Ist es überhaupt möglich, dass es kein Misstrauen in der Szene gibt, wenn doch auch das Gespenst der Rechtsoffenheit im Raume steht und viele Bands und Veranstalter dem Gegenüber oft misstrauen, weil sie denken, der/die Band XY oder der Mensch XY hält Kontakte zur rechten Szene? Man weis oft gar nicht, was man noch glauben soll bzw. kann und was nicht. Wie denkt ihr darüber?  

Spiller: Auch da wird viel geredet und geschrieben und mit zweierlei Maß gemessen. Was die eine Band darf, darf die andere noch lange nicht. Ich habe selten so ein heuchlerische Hexenjagd erlebt wie in den letzten Jahren. Da werden korrekte Bands aufgrund von Nichtigkeiten in eine Ecke gedrängt, während die Handvoll vermeintlich politisch korrekter Bands in ein Fettnäpfchen nach dem anderen treten darf, ohne das dieses mal irgendwo Erwähnung finden würde. Natürlich halte ich es für sehr wichtig, die Augen aufzuhalten und gerade hier im Ruhrpott, waren wir mit die ersten die einigen dieser Dummköpfen Einhalt geboten haben, oder erstmals darauf aufmerksam gemacht haben. Aber man kann auch alles übertreiben und sollte im Zweifelsfalle evtl mal selber nachforschen und nicht einfach immer das glauben, was einem da eine kleine Gruppe von Schreibtischtätern als einzige und richtige Wahrheit im Netz verbreitet. Selber denken mag zwar  anstrengender sein, aber meistens ist man dann schlauer als wenn man das anderen überlässt!!
 
 8. Wie sind eure Erfahrungswerte im Bezug auf solche Anschuldigungen? Hatte nicht Spiller mal Probleme mit diversen Gerüchten? Ist es schwierig, einmal nen schlechten Ruf los zu bekommen? Bzw. sollte nicht jeder Aussteiger eine zweite Chance bekommen? Liegt es vielleicht oft am Neid, dass viel erzählt wird?


Spiller: Der Großteil dieser Anschuldigen ist von Neid geprägt, was man gerade im Fall Stomper 98 sieht. Als sie noch unbekannter waren, hat es keinen interessiert und nun wo sie an der Spitze der deutschen Skinheadbands stehen, meldet sich auf einmal jeder Hinz und Kunz mit irgendwelchem Mist zu Wort. Zumal die Band sich ja nun oft genug für ihre Fehltritte gerechtfertigt hat. Aber wie schon oben erwähnt, was der eine darf, darf der andere noch lange nicht. Einer muss sich nur halbherzig und einmalig entschuldigen, anderen wird es noch Jahre später vorgehalten, wie zb im Falle von Stomper 98. One Law for them, another one for us? Natürlich darf man keinem die zweite Chance verwehren, aber man sollte dann auch genauestens prüfen woher der Sinneswandel denn kam und ob er dann auch wirklich stattgefunden hat, oder man sich nur nach außen so gibt, weil es einfach bequemer ist, als mit den Konsequenzen zu leben.


 9. Wo fängt für euch Grauzone an, bei welcher Band macht ihr Halt? Wie steht ihr im Verhältnis zu Bands wie Krawallbrüder und Frei.Wild? Steht ihr denen kritisch gegenüber?  

 Spiller: Deutschrock ist für mich das schlimmste was es gibt. Ist aber ne rein persönliche Meinung bezüglich der schlechten Musik die dort geboten wird. Aufgrund dessen gehen mir solche Bands auch völlig am Arsch vorbei und hoffe das wir niemals mit denen eine Bühne teilen müssen. Aufgrund der Norditaliener haben wir bereits vor Jahren die Teilnahme an einem Festival abgesagt, auf dem jedes Jahr allerdings mehr und mehr Punkbands spielen. Aber auch hier wird dann wieder mit zweierlei Maß gemessen, wenn es darum geht diese Bands in irgendwelchen Blogs zu erwähnen. Soll jeder selber wissen was er macht und mit wem er spielt, nur sollen sie dann hinterher nicht rumheulen, wenn auf einmal "komisches"" Publikum zu ihren Konzerten kommen, oder andere Bands nicht mehr mit ihnen spielen wollen.


 10. Noch eine Frage zum Thema „Dat soll Punkrock sein?“: Wie steht ihr hohen Eintrittspreisen und Kosten für Platten und CD`s gegenüber? Ab wann isses für euch nicht mehr Punkrock oder muss man vielleicht auch hinterfragen, in welchen finanziellen Verhältnissen die Band lebt? Kann man überhaupt vom Punkrock seine Existenz sichern und wenn ja, wo seht ihr eine Grenze zum Kommerz überschritten?

Marcel: Natürlich ist alles teurer geworden. Wenn ich mal so auf meine alten Eintrittskarten schaue....;-) Wir versuchen mit EK77 immer einen fairen Kurs anzubieten. Egal ob bei Cd`s oder Merch. Viele Leute verstehen aber auch nicht, das wir die Sachen in der Herstellung auch bezahlen müssen und wollen dann einiges umsonst oder reduziert haben. Meiner Meinung nach sind wir diesbezüglich aber mehr als fair. Und leben können wir natürlich nicht von der Mucke. Das klingt auch immer so großartig. Band XY kann vom Punk leben, ich möchte dann aber nicht wissen, wie das Leben von denen so aussieht. Wobei wir hier natürlich nicht von den Toten Hosen oder so sprechen.


Vielen Dank an die Jungs für das Interview!

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