Design wechseln

Start » Interviews » Peter Menchetti, Slovenly Recordings

Peter Menchetti, Slovenly Recordings

04.06.2014

Weitere Informationen:
http://slovenly.com/
http://slovenly.bandcamp.com/


SLOVENLY RECORDINGS war mir bis vor kurzem noch ein unbekannter Name, ich kannte allerdings THE SPITS, erlebte ein Konzert von PUFF! und erfreute mich am schönen Bandnamen von WAU Y LOS ARRRGHS!!! Nachdem ich neulich von den STALINS OF SOUND eine gelungene Scheibe Musik konsumieren konnte, interviewte ich nun einen der beiden Labelmacher. Neben unserer Unterhaltung auf Englisch sprach Peter mit anderen Leuten auf Spanisch und Italienisch. Er war zuvor noch in Lateinamerika, um dort sein Label bekannter zu machen und wirkte trotz Jetlag auch in einer Kneipe in Kreuzberg ganz in seinem Element.

Geschrieben von King Kraut am 09.06.2014, 12:25 Uhr


Teilen:                    

Fangen wir mit deiner Person an. Was kannst du uns über dich berichten? Woher kommst du, wie kamst du mit Musik in Kontakt?

Mein Name ist Peter Menchetti, mein Vater kommt aus New York, meine Mutter aus Italien. Ich wurde in New York geboren und zog später nach Nevada. Dann nach Italien, nach Amsterdam, nach Spanien und zurück nach Amsterdam.

Wie ich mit der Musik in Berührung kam? Ich glaube, als ich etwa fünf war, sah ich KISS im Fernsehen, und mochte sie erst einmal wegen der Kostüme, des Feuer- und Blut-Spuckens. Wahrscheinlich wurde ich gezeugt, als KISS ihr erstes Konzert hatten, das war glaube ich, 1973. Geboren wurde ich im Februar 1974. Mir gefiel die Musik, ich mag immer noch ihre ersten Platten. Von da ging es über die RAMONES und IRON MAIDEN weiter über die CIRCLE JERKS, MEGADETH, BAD BRAINS... Metal und Punk.

Wie kamst du zu dem, was du heute tust?

Als ich in Nevada wohnte, hatten wir einen Keller, in dem Bands von überall her auftraten. Wir veranstalteten fünf Jahre lang zweimal wöchentlich diese Keller-Konzerte. Ich gründete außerdem eine Aufkleber-Druckerei, mit der ich mich finanziere, denn mit dem Label zahlen wir letztlich drauf.

Für viele Musikliebhaber liegt es nahe, selbst eine Band zu starten. Wie kamst du dazu, anderen zu ermöglichen, Konzerte und Platten zu machen?

Im Gegensatz zum verwöhnten Berlin, wo es mindestens zehn coole Clubs und mindestens drei coole Konzerte pro Abend gibt, gibt es in Reno, Nevada – nichts. Wenn meine Freunde und ich das nicht gemacht hätten, hätte es eben gar nichts gegeben. Es war also aus der Notwendigkeit, überhaupt Bands spielen zu sehen.

Fingst du um die gleiche Zeit mit deinem Label SLOVENLY RECORDINGS an?

Erst gründete ich 1994 ein Label namens 702 RECORDS, ein Jahr nach dem Beginn der Keller-Konzerte. Eine Band trat auf, sie gefiel mir und spielte mir Aufnahmen vor. Wir wollten sie herausbringen und da gründeten wir ein Plattenlabel. So fing es an. Acht Jahre später, also 2002, beschloss ich, mit SLOVENLY RECORDINGS ein neues Label mit einem einheitlicheren Sound und einem höheren Anspruch zu gründen.

Wie würdest du diesen Sound beschreiben?

Oh fuck...

Ich habe mir einige Sachen angehört, aber was sind die Kriterien, um eine Band herauszubringen?

Also, zunächst ist es ein Punk-Label. Manches ist mehr Garage-Rock, manches psychedelischer Punk, manches mehr Punk-Rock 'n' Roll, wir haben sogar Hardcore Punk. Jede unserer Band soll ihren eigenen Sound haben. Natürlich erfindet keine Band zu 100% alles neu, jeder wird wiederum von jemand anderem beeinflusst. Aber wir suchen schon Bands, die etwas eigenes haben. Und wir mögen es ein Bisschen bizarr, so dass es sich vom Rest abhebt.

Meinst du, ihr könnt mit eurem Label einen Trend setzen, in dem Sinne, dass der Sound populär wird und weitere Leute beeinflusst?

Das würden wir uns sicher wünschen, denn wir wollen zwar Underground bleiben, aber wir möchten darin bekannt sein. Der Untergrund hat einen guten Musikgeschmack.

Möchtet ihr euch gerne als ein bestimmtes Genre von Underground-Musik etablieren? So dass die Leute etwas hören und sagen: Die Band könnte auf SLOVENLY erscheinen.

Eher andersherum. Man soll „SLOVENLY“ auf einer Platte lesen und daher wissen, dass sie gut sein muss. Man kann vielleicht die Einstellung zur Musik erahnen, aber es soll nicht unbedingt gleich klingen.
Aus dem Grund habe ich ein neues Label gegründet; auf 702 RECORDS brachte ich im Grunde Platten von Freunden heraus. Und diese waren recht unterschiedlich, es gab Metal- und Hardcore-Bands, wir hatten eine Rockabilly- und eine Pop-Punk-Band. Man konnte nicht ohne weiteres eine Platte von 702 RECORDS auswählen und davon ausgehen, dass man es mögen würde. Daher sind wir bei SLOVENLY mehr um Gemeinsamkeiten im Sound bemüht. Idealerweise kann man, wenn einem die Musik gefällt, bei anderen Platten von uns mehr Sachen finden, die einem gefallen.

Ihr habt Bands aus vielen verschiedenen Ländern, hängt das mit deiner Reiselust und deinem Wohnen an vielen verschiedenen Orten zusammen, die dich ein wenig zu einem „International Animal“ machen?

Ich lebe nun seit vierzehn Jahren in Europa, daher sehe ich hier die meisten Bands. Ich würde mir wünschen, Bands von jedem Kontinent zu haben. Solange sie gut sind. Ich suche nach einer guten südamerikanischen Band. Ich habe zwar gute dort gesehen, aber keine, die zu Slovenly passt.

Ihr habt auch Bands, die in verschiedenen Sprachen singen.

Ja, wir ermutigen sie, in ihrer Muttersprache zu singen. Die Spanier tun das meistens ohnehin, aber unseren Freunden aus Italien, Niederlande, Frankreich, etc. sagen wir immer: Na los, macht wenigstens ein paar Songs in eurer Sprache! Meistens ignorieren sie mich, weil sie meinen, dass Rock 'n' Roll auf Englisch zu sein hat. Was natürlich totaler Bockmist ist. Jedenfalls haben wir mit einem Sub-Label, einer speziellen Unterkategorie von Platten begonnen, wo Bands nur in ihrer Muttersprache singen (außer Englisch). Die Reihe heißt „Mondo Mongo“ und die erste Band ist eine berliner Band Namens PUFF.

Was passiert üblicherweise von der ersten Begegnung mit einer Band bis zur fertig veröffentlichten Platte?

Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen. Wenn ich ein Konzert sehe, dass mit gefällt, sage ich, guter Auftritt, habt ihr Aufnahmen? Die schicke ich dann an Joe, den Manager des Labels, und wenn es ihm auch zusagt, schicken wir der Band unseren Vertrag. Wir haben einen Standard-Vertrag, der für alle Bands gleich ist. Dann schickt uns die Band das Plattencover und legt die Reihenfolge der Songs fest. Wir sagen dann, wie es uns gefällt, und wenn es da unterschiedliche Meinungen gibt, kann die Band machen, was sie will – wir wollen uns nicht in ihre künstlerischen Vorstellungen einmischen.
Das gilt für die graphische Gestaltung und auch für die Reihenfolge. Oft hören Bands die eigenen Songs hunderte von Malen und sind nicht mehr in der Lage, sie in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Oder sie brauchen Hilfe von jemandem, der in dieser Hinsicht ein jungfräuliches Gehör hat. Wenn wir mit solchen Dingen durch sind, werden die Aufnahmen gemastert. Dann machen wir eine Testpressung. Wir beginnen die Veröffentlichung zu bewerben, an die Presse und an Radiosender zu schicken, was heutzutage digital über einen Download geschieht. Wenn die Auflage fertig ist, schicken wir sie an Großhändler und an bestimmte Läden, die wir kennen. Zudem kann man sie auf unserer Website kaufen.

Kommt es auch vor, dass Bands noch nichts aufgenommen haben und du sie schon bei diesem Schritt unterstützt?

Das kommt auch vor, aber heute, wo man alles billig im eigenen Schlafzimmer mit dem Computer aufnehmen kann, haben die meisten zumindest eine Demo-Aufnahme. Es kam manchmal vor, dass ich eine Band spielen sah, sie mir dann ihre Aufnahmen schickte und diese zwar gut waren, ich aber dachte: Das könnte noch besser werden. Weil das Konzert besser war. In dem Fall helfe ich der Band, ein besseres Studio zu finden.

Gehst du dann selbst hin, um die Band zu motivieren, die Energie ihrer Live-Performance in den Aufnahmen festzuhalten?

Nein, das habe ich nie gemacht. Mit so einem Kram kenne ich mich nicht aus.

Keine Drogen oder Arschtritte, um sie anzutreiben?

Nein. Vielleicht macht das Tim Warren. Zumindest könnte ich mir das vorstellen. Vielleicht sollte ich das tun, immerhin hat er das beste Label aller Zeiten (Anm. d. Red.: Crypt Records). Vielleicht fange ich damit auch an.

Du erwähntest deinen Partner Joe, den Manager des Labels?

Ja, er ist in den USA. Ein Teil des Labels ist immer in den USA.

Wie teilt ihr euch die Arbeit? Macht jeder von euch das gleiche auf seinem jeweiligen Kontinent?

Nein. Er kümmert sich um den Herstellungsprozess, von der Pressung bis zur Lieferung eines Produktes gibt es viel Logistik. Er hat auch seine eigene Unterkategorie von Platten und sucht nach Bands – die Reihe heißt „Black Gladiator“. Wir überlegen uns zusammen Songreihenfolgen, Strategien für die Veröffentlichung, solche Dinge.

Gibt es eine vernetzte Szene, die eure Art von Musik spielt, hört und zusammenarbeitet?

Es gibt einen riesigen weltweiten Untergrund von Musikverrückten. Überall, wohin ich komme, finde ich wenigstens einen kleinen Kreis von Freunden, die auf unsere Art von Musik abfahren.
Heute ist es einfacher, sie zu finden, denn dank des Internets kennt man eine Kontaktperson , und die ist dann wiederum mit jemand anderem in Kontakt, und das ist schon eine Szene. Wenn ich zum Beispiel auf Facebook schaue, finde ich dann zum Beispiel den einen Typen in Polen, der auf solche Musik steht, und stelle fest, dass wir 35 gemeinsame Freunde haben.

Du sagtest, du lebst von deinem Sticker-Label. Macht es dich unabhängiger in dem, was du mit SLOVENLY RECORDINGS machen kannst, weil du da keinen wirtschaftlichen Zwängen gehorchen musst?

Auf jeden Fall. Wir veröffentlichen nichts, das wir nicht lieben.
Zum Beispiel: Derzeit ist Psych das große Ding. Ich mag zwar psychedelische Musik, aber keinen langweiligen Shoegaze-Stoner-Jam-Session-mässigen Psych. Das ist derzeit in, aber wir bringen so etwas nicht raus, weil es uns nicht liegt. Wir hätten hohe Auflagen absetzen können, indem wir bestimmte Bands nicht abgelehnt hätten, die nun durch die Decke schießen. Aber es passt nicht zu unserem Label.

Ihr bietet Vinyl, CDs und Downloads?

Ja, wir haben auch Kassetten gemacht. CDs verkaufen sich immer weniger, daher erscheint es zunehmend sinnlos, sie herzustellen. Vielleicht hören wir damit ganz auf und machen stattdessen nur noch Kassetten mit Downloadcodes dazu. CDs taugen mittlerweile nur noch für Radiosender, denn die spielen keine Kassetten.

Was macht du angesichts der allgemeinen freien Verfügbarkeit von Musik im Internet, sei es auf legale oder illegale Weise? Was ist besser an einer SLOVENLY-Platte, als wenn man sich kostenlos Musik besorgt?

Ich denke, das hat nichts mit Slovenly zu tun, sondern damit, dass eine Schallplatte einfach ein unschlagbares Format ist – ob als LP oder als 7“. Wir versuchen auch schöne CDs mit ausklappbaren Digipaks zu machen, aber für mich gibt es nicht besseres als Vinyl. Die meisten, die sich wirklich für Musik interessieren, und auch die meisten Punkrocker, haben Schallplattensammlungen.
Wenn ich in einen Plattenladen gehe, wird es schwieriger, CDs zu finden, und noch schwieriger ist es, CDs zu verkaufen. Vinyl ist nie verschwunden. Wir machen seit 1994 Labelarbeit, und haben immer alles als Schallplatten veröffentlicht. Es gab vielleicht zwei Compilations, die wir nur auf CD herausgebracht haben.

Kannst du unseren Lesern noch einige interessante Bands von deinem Label ans Herz legen?

Einige der neuen Veröfentlichungen sind von STALINS OF SOUND, PYPY aus Montreal, SULTAN BATHERY aus Italien, dann kommen diesen Sommer fünf Singles heraus: Von THE ANOMALYS aus Amsterdam, PUFF! aus Berlin, USELESS EATERS aus Tennessee, THEE MVPS aus dem Vereinigten Königreich und ACID BABY JESUS aus Griechenland.

Vielen Dank!

Kommentieren



Weitere interessante Interviews

Kreftich

Mini vom Kamikaze-Radio spricht in seiner Sendung Mini`s DeutschPunk-Revolte mit Hagi (Vol/Git) und Lasse (Bass/Vol) von Kreftich aus Dinslaken

Weiterlesen

Kontrollpunkt

Mini vom Kamikaze-Radio spricht in seiner Sendung Mini`s DeutschPunk-Revolte mit Tobi (Vol/Git) und Andree (Bass/Vol) von Kontrollpunkt aus Düsseldorf

Weiterlesen

Dosenbier

Mini vom Kamikaze-Radio spricht in seiner Sendung Mini`s DeutschPunk-Revolte mit Daniel (Git) und Ködda (Git) von Dosenbier aus Saarburg

Weiterlesen

N.T.Ä.

Mini vom Kamikaze-Radio spricht in seiner Sendung Mini`s DeutschPunk-Revolte mit Nadine (Vol/Bass) und Älex (Drums/Vol) von N.T.Ä. aus Saarbrücken

Weiterlesen

Club Déjà-Vu

Mini vom Kamikaze-Radio spricht in seiner Sendung Mini`s DeutschPunk-Revolte mit Ferdinand Führer (Vol), Roland Van Oysten (Git), Gregor Endhardts (Git) und Angry Stef (Drums) von Club...

Weiterlesen

Unwucht

Mini vom Kamikaze-Radio spricht in seiner Sendung Mini`s DeutschPunk-Revolte mit Vivi (Vol), Terror (Git) und Schrank (Drums) von Unwucht aus Bremen

Weiterlesen