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Feierlichkeiten zum Nix-Gut Gerichtserfolg

08.03.2007

Am vergangenen Donnerstag, dem 8. März sollte in zweiter Instanz vor dem BGH Karlsruhe das Urteil des Landgerichts Stuttgart aufgehoben
werden, welches es dem Nix-Gut Mailorder untersagte, weiterhin antifaschistische Symbole mit durchgestrichenem oder zerschlagenem Hakenkreuz zu vertreiben. Alles Andere als ein Freispruch von Jürgen Kamm als Geschäftsführer wäre nach dem auch von Politikern und Juristen über das gesamte Bundesgebiet ausgesprochenen Unverständnis für die seltsame Rechtsauffassung der Stuttgarter Richter eine große Überraschung gewesen. So verwunderte es auch kaum, dass nicht nur die Verteidigung, sondern selbst die Vertreter der Anklage sich gegen ein Verbot der beanstandeten Symboliken aussprachen.

So konnte man also auch schon guten Gewissens die Feierlichkeiten zum Sieg der Gerechtigkeit organisieren. Am Abend des selben Tages sollte ein Konzert mit den Bands Oralapostel, SiK und Wärters Schlechte im AKK auf dem Gelände der Uni Karlsruhe die Siegesfeier abrunden. Lediglich die Vertagung der Urteilsverkündung auf den 15. März unterlief diese Planungen im letzten Moment. Nachdem aber kaum mehr ein Zweifel an dem Richterspruch besteht, die Bands wie auch Besucher nicht mehr aufzuhalten waren, fungierte man dies kurzerhand zu einer Vorfeier um.

Nach einem langen Arbeitstag raffte ich mich kurz vor 20 Uhr mit schweren Augen und noch nicht wirklich freiem Kopf doch noch auf, dem AKK meinen ersten Besuch überhaupt abzustatten. In normalen Arbeitsklamotten, aber egal, das habe ich mir heute wirklich verdient. Eine viertel Stunde später, das Auto auf dem erstbesten Parkplatz abgestellt genügte unerwarteter weise ein kurzer Blick, den Eingang zum alten Stadion zu entdecken. Warum bei den Ankündigungen kein Eintrittspreis mit angegeben war machten die offen stehenden Türen schnell klar, freier Eintritt also. Im ersten Raum an einer Treppe vorbei ging es durch einen engen Gang, an dessen Seite schon die ersten Besucher eine Couch belegten. Der nächste Raum, schnuckelig klein, hier werden also die Getränke ausgegeben. Dazu gleich, aber lass uns erst den Konzertraum besichtigen. Kaum ausgesprochen, tippt mir mein Begleiter auf die Schulter und deutet ans andere Ende der Kammer. Da ist so etwas wie eine Bühne aufgebaut, auf einem ca. 30 cm hohen Gerüst stehen Schlagzeug und Gitarren. Demnach sind wir schon am Ziel angelangt? Erstaunlich, dass man sich für den Abschluss eines deutschlandweit beachteten Themas einen derart kleinen Zufluchtsort ausgesucht hat. Und wie soll da oben auf dieses winzige Gestell nur eine ganze Band passen?

Diese Frage beantworteten nach wenigen Minuten, es dürfte halb neun gewesen sein, die Karlsruher Lokalmatadore Oralapostel. Trotz ihres geschätzten jungen Alters spielten sie einen flotten, eingängigen Punkrock, bei dem ich ob des doch noch sehr leeren Raumes kaum wagte, direkt im Blickfeld der Band meine Ohrstöpsel einzufummeln. Ein Lied also in voller Lautstärke, die locker einer dreimal so großen Örtlichkeit gereicht hätte ertragen, wurde es dann mit high-tech Pfropfen in den Lauschern angenehm und nach einigen Aufforderungen, doch nicht so schüchtern zu sein auch langsam voller vor der Bühne.

Nach einer kurzen Verschnaufpause vor der Tür machten die als special Guest angekündigten Die Siffer der Uni-Kneipe mit studentenkompatiblem Punkrock alle Ehre. Mehr Rock als Punk für meinen Geschmack, was die Scham für ein erneutes hantieren an den Lauschern gar nicht erst aufkommen lies. Einzig der vermutlich bekannteste Song „Nazis ham 'ne Scheißfrisur“, nach dem auch noch ein paar T-Shirts kostenlos unter's Volk kamen ging ordentlich nach vorne.

Jetzt wollte ich aber doch endlich schauen, wohin man durch diese Türe auf der anderen Seite des kommt. Von weitem betrachtet muss da noch mächtig viel Platz sein, das seltsame Licht zog mich zusätzlich wie eine Motte in der Nacht an. Dass es sich um den Hinterausgang handelte stellte ich schon einen Schritt im Freien stehend fest. Dort draußen saß auch schon der Kinderchor, viele bunte Kiddies gaben liebliche
Weisen zum Besten. Allmählich wurde es auch kühler so ganz ohne Jacke. Eigentlich wären es nur ein paar Meter bis zum Auto mit der warmen Bekleidung gewesen, doch man will sich doch auch nicht als Warmduscher outen und später im dichten Gedränge wieder schwitzen. Also tapfer durchgehalten, die Pausen dauerten glücklicherweise nie länger als geschätzte 15 Minuten.

Dann kamen sie, die Gründer von Nix-Gut mit dem Kämpfer für das Gute himself, Jürgen Kamm. Nur um zu beweisen, dass man als geübter Stapler selbst fünf Mann auf dieser kaum mehr als postkartengroßen Fläche unterbringen kann. Hier ging es gleich deutlich ruppiger und
tatsächlich noch lauter zu als bisher, was in mir die Frage aufkommen lies, wie dieser Typ da vorne direkt auf der Box nur pennen konnte.
Vielleicht ein Gehörloser. Oder ihm sind die punkfreundlichen Getränkepreise von 1,35 Euro für ein Bier aufgefallen. Ich selbst stand ganz ratlos an der Theke, als man mir für meine zwei bestellten Wasser nur einen einzigen Euro abknöpfen wollte. Ratlos machten mich auch die Typen, die den Verzicht der Veranstalter auf Flaschenpfand dazu nutzten, die Glasbehälter auf der Straße zu zerschmettern. So wird einem die Fairness also gedankt und den Clubs auf lange Sicht die Möglichkeit genommen, weiter Konzerte zu veranstalten.

Wenn ich gerade schon beim Meckern bin dann auch über die Typen, die sich unbedingt mit ihren mit Killernieten versetzen Lederjacken ins Pogo-Getümmel stürzen müssen. Schleppt das Metall ruhig den ganzen Tag mit euch herum, aber zieht die Dinger bitte aus bevor da jemand mit dem Gesicht drauf klatscht. Der würde sonst vermutlich ähnlich merkwürdig herumhampeln wie der SiK Sänger, der bei DSDS gute Chancen hätte in einer Worst Of Folge ganz vorne mit dabei zu sein. Nein, ich möchte hier nicht behaupten der Gesang eines hungrigen Löwen auf der Balz sei melodischer, es hatte lediglich etwas sehr Eigenes, Unverwechselbares.

Den krönenden Abschluss von Wärters Schlechte erlebte ich aufgrund der schon weit fortgeschrittenen Uhrzeit über die Geisterstunde hinaus und dem dringenden Bedürfnis hinaus, mich nach einer längeren Heimreise als braver Angestellter bald schon wieder aus den Federn quälen zu wollen nur zur Hälfte. Streetpunk nennen sie es selbst, mit dem klassischen UK Punkrock der 80er/90er würde ich es auch vergleichen, ohne mich je sonderlich für diesen Musikstil interessiert zu haben.

Abschließend bleibt zu bemerken, dass ich erst am nächsten Morgen von der Verschiebung des Gerichtsurteils erfuhr. Die Oralapostel sprachen kurz von der „gewonnenen Verhandlung“, ansonsten war es ein ganz normales, nettes Konzert. Möglicherweise habe ich das Geschehen aber auch nur zu früh verlassen und der Hakenkreuz-Prozess wurde bei den anschließenden Konservenklängen von DJ Machmallala noch thematisiert. Viel zu sagen mag es dazu aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch einfach noch nicht gegeben haben.

Geschrieben von aaaaaprvdgrwwelt am 22.07.2012, 12:21 Uhr


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