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Force Attack, der Nachbericht
Force Attack 29.07. – 31.07.2011
Jedes Mal wenn man auf ein Festival fährt, spürt man bei der Anreise ein leicht genervtes Gefühl und fragt sich warum man diese Strapazen immer wieder auf sich nimmt. Das schwere Gepäck, das erreichen der Festivalgelände, die fast immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln relativ schlecht zu erreichen sind und man mit dem ganzen Sack & Pack noch lange Strecken zu Fuß zurück legen muss, die langen Schlangen am Eingang, die nervigen Kontrollen auf Schusswaffen und was auch sonst noch für einen Mist. Dem ein oder anderen würde sicherlich noch mehr einfallen.
Doch dann landen Ende Juli/ Anfang August jedes Jahr 8.000 – 10.000 meist relativ bunt aussehende Menschen in der Nähe von Rostock, bei denen sich das Gepäck häufig auf einen Kasten Bier, ab und zu ein Zelt und gute Laune beschränkt und die sich den Weg zum Festivalgelände und das Warten am Einfang mit dem schiefen Gegröle von manchmal nicht zu identifizierenden Punk- oder Oi-Songs verschönern. Wer beim betrachten dieser Szenen vorher noch nie etwas vom Force Attack gehört hat, möge sich denken was er will, denn auf die Gedanken anderer Leute scheißen die Besucher auf gut deutsch schon seit Jahren. Wer allerdings zu dieser Truppe gehört wird spätestens auf dem Weg zum Festival von der Vorfreude überrannt und denkt sich: Jap, Sex, Musik & Anarchie!
Denn größtenteils kann man das Verhalten der Punker, Ois und schönen Frauen, die man jedes Jahr auf dem Festival sieht, nicht beschreiben. Anarchie! Man sieht selten so viele Geschlechtsteile, stolz und ohne Scham von ihren Besitzern präsentiert. Man kann meistens ohne Sorge an gestrandeten, alkoholisierten, auf dem Boden schlafenden Leuten vorbei gehen. Man trifft die Musiker fröhlich plaudernd mit Groupies und/oder Fans am Bierstand. Und es ist auf keinem anderen Festival so ein leichtes Spiel, Obdach für die Nacht zu finden. (Der Leser möge dies jetzt so und so interpretieren. Es wäre beides zutreffend!)
So kann man kurz und knapp das Force Attack umschreiben, auch wenn dieser Abschnitt nur einige kleine Momente darstellt, die zu der Welt dieses Festivals gehören.
Dieses Jahr sollte es aber ein noch feucht fröhlicheres Fest werden als sonst. Und dabei liegt die Betonung auf feucht, wenn nicht schon nass oder einfach nur ekelhaft Monsunartig!
Eine Woche vorher wurde das Searock-Festival, das nicht weit vom Force Attack statt finden sollte, abgesagt, auf Grund von akuter Gefärdung der Festivalgäste durch ein Unwetter mit der Windstärke 10(!!!). Glücklicherweise war für das Force Attack Wochenende anständiges Wetter angesagt und der Aufbau konnte beginnen.
Doch schon Donnerstag Spätnachmittag brach dann die Wolkendecke wieder in Zwei und wer sich nicht schnell genug in ein Auto oder Zelt flüchten konnte, war binnen Sekunden bis auf den Schlüpper nass. Aber wie ihr euch sicherlich aus der anfänglichen Beschreibung der Besucher denken könnt: Kein Problem für erprobte Punker. Undichte Stiefel wurden mit Panzertape geflickt, undichte Zelte wurden einfach verlassen und es wurde sich ein neuer Unterschlupf gesucht und Pogo im Matsch ist doch gleich viel geiler, nicht wahr?!
Also Party geht weiter! Freitagmorgens als die letzten ins Bett gingen und die ersten aufwachten, glich das Festival- und Zeltgelände der Szene aus Men in Black nachdem sie die Schabe erschossen hatten oder um es netter zu beschreiben einer braunen Schneelandschaft. Es war einfach alles voll mit Matsch und ein Anblick der Verwüstung. Die parkenden Autos und aufgebauten Zelte waren von den Autos, die es gerade noch geschafft hatten durch den Matsch zu kommen, komplett vollgespritzt worden. Einige Zelte konnten die Wassermassen nicht aushalten und waren eingestürzt. Viele Autos standen mitten auf dem Zeltgelände, weil sie einfach stecken geblieben waren und die Insassen nach stundenlangem Buddeln und Anschieben aufgegeben hatten und die Autos einfach stehen gelassen haben. Die meisten Matschfützen gingen bis zur Mitte des Unterschenkels und jeder Schritt war ein Kraftakt weil der Matsch jeden Fuß sofort fest sog.
Einge der Besucher hatten sich durch die kreativsten Schlammspiele an ihre Umweltfarbe angepasst.
Dennoch ging es Freitag pünktlich um halb zwei mit dem Opener Schlepphoden auf der Zeltbühne los, was auch groß gefeiert wurde. Erstens vom Publikum und zweitens von der Band selbst, denn diese feierte auf dem diesjährigen Festival ihr 15-jähriges Bestehen. Für die Besucher vom Force Attack gibt es keine Rangordnung nach dem Motto „das Beste kommt zum Schluss“, sondern eher „Auf geht’s, ab geht’s, 3 Tage wach“. Also war das Festivalgelände schon ab halb zwei gut voll und Schlepphoden steckten ab der ersten Minute mit ihrer Jubiläumsfreude an und brachten das Publikum zum pogen und grölen.
Auch ganz weit vorne mit ihrem Auftritt waren die, bis dahin bei den meisten recht unbekannte Band, Brixton Cats. Man brauchte geschätze 15 Minuten um sich davon zu überzeugen, dass Solen tatsächlich eine Sängerin und kein Sänger ist. Wunderbarer antifaschistischer und antikapitalistischer Hardcore-Punk. Betont durch den burschikosen Gesang beziehungsweise der Shouts der Sängerin und ansteckenden Groupshouts des Bassisten Jeff und des Gitarristen Mathieu entwickelt sich diese französische Band von einem super Geheimtipp zu einem echten Kracher.
Absolutes Gute-Laune-Highlight waren sicherlich die Berliner Band „The Pokes“, als sehr gut gewählter Headliner dieses Abends. Mit den Pokes ging es dann ab vom schmutzigen Punk zum tanzbaren Folk-Sound, der eine gesangliche Einladung zur Afterhour ins Bierzelt war, in dem sich die Thekenschlampen bis morgens früh um kurz nach 9 die Finger wund zapften.
Am nächsten Tag kämpften dann als aller erstes die Band „Atemnot“ gegen die Katerstimmung. Und auch diesmal war es für die erste Band des Tages wieder erstaunlich voll. Wie bereits erwähnt, geizt das Punker-Publikum nicht mit Begeisterung, wie es leider häufig in anderen Szenen zu beobachten ist.
Absolut eng wurde es allerdings erst bei der Rostocker Band Feine Sahne Fischfilet. Schon beim Line-Check wurden häufig die Namen der Musiker gerufen und es lag komischerweise eine leichte Euphorie in der Luft. Und diese Euphorie war berechtigt. Denn Feine Sahne Fischfilet schlugen ein, wie eine Bombe und zwar eine riesige Antifa-Bombe!
Schon beim ersten Lied wurde im Publikum ein bengalisches Feuer gezündet und es entwickelte sich schnell ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Im Kampf gegen die sehr starke rechte Seite in Mecklenburg-Vorpommern hat sich diese Band zusammen gefunden und nutzt die Musik als Plattform für ihr Anliegen. Als besonderes Special wurde auf der Bühne von mehreren Sprayern ein Transparent mit dem Schriftzug „siempre antifa“ gemacht. Nach spätestens jedem zweiten Lied wurden erst vereinzelt und dann von fast dem gesamten Publikum Antifa-Parolen gerufen, was auch ein sehr schöner Nebeneffekt dieses Auftrittes war.
Der Sänger der Band „Monchi“ ist bei seinen Fans super beliebt. Außerdem berühmt und auch noch berüchtigt für seine „Bühnen-Performance“. Bühnen-Performance ist mit Absicht in Anführungszeichen gesetzt, denn wer ihn persönich kennt, weiß, dass das keine Performance ist, sondern einfach nur er selbst.
Aber auch als fremder Fan macht es Spaß der Band zu zuschauen und Monchi beim Bierdosenöffnen mit dem Mund und das im Sekundentakt, denn er kippt ungefähr die Hälfte in seinen Mund und den Rest über seinen Kopf.
Es war ein wunderbarer Mix zwischen einer super Party aber auch vielen ernsthaften Themen, die von der Band durch ihre Songs aufgegriffen werden. Feine Sahne Fischfilet sollte als Vorbild für viele Bands stehen, denn kaum jemand setzt sich so stark für ein Thema ein als diese Band und vermittelt es so gut. Außerdem spürt man deutlich die ehrlichen Absichten und nicht, dass diese Band den guten Zweck zur Selbstdarstellung nutzt, denn das ist hier glücklicherweise überhaupt nicht der Fall.
Auch musikalisch mit einem feinen Mix aus Punk und Ska befanden sich die Jungs ganz weit oben an der Leistungsspitze!
Und diese Band hat es tatsächlich auch geschafft, dass knapp 50% der Zuschauer nach ihrem Konzert zu dem Merchandise-Stand von Feine Sahne Fischfilet, der gleichzeitig auch ein Infostand war, strömten um sich die Flyer und kleinen Heftchen anzuschauen. Denn wenn man mal ehrlich ist, ist es verdammt schwer, ein Publikum von irgendeiner "Sache" zu begeistern oder sie dafür zu interessieren. Doch Monchi schwingt so unvermittelt kleine aber feine Reden zwischen den Songs, dass man eigentlich gar nicht anders kann und diese Fähigkeit zur guten Musik und zum Redner ist wirklich bemerkenswert. Außerdem wird von den Fans der Band eine solche Dynamik auf die Besucher, die die Band noch nicht kennen übertragen, dass man eigentlich gar nicht anders kann und sich mitreißen lässt. Man erlebt selten oder nie so ein dynamisches und unterstützendes Publikum wie das, das hinter Feine Sahne Fischfilet steht beziehungsweise vor der Bühne tanzt.
In der Hoffnung, dass Feine Sahne Fischfilet bald mal nach Düsseldorf kommen, solltet ihr euch langsam mal aufwärmen zum tanzen und informieren.
Fazit: MUSS man gesehen und gehört haben! Feinste Musik mit toller Idee dahinter!
Geschrieben von chinawild am 28.08.2011, 00:00 Uhr
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