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Französisch für blutige Anfänger -

05.01.2013

Es ist schön, wenn man an alte Wirkungsstätten wieder zurückkehrt. Man ist jedes Mal aufs Neue gespannt, was es für Neuerungen gibt oder was für alte Sachen immer noch existieren, um letztendlich mit den hiesigen Besuchern in Nostalgie zu schwelgen. Schließlich ist das Ost ein Sammelbecken für frühpubertierende Jugendliche, seltsame und (bis dahin) noch unentdeckte Krankheiten und seltsamen Vögeln, die ihre eingeworfenen, kleinen Zeitfenster gerne mit allerlei erfüllenden Sachen, wie alkoholischen Getränken, Tabak und lauter Musik füllen.

Ja, es ist wahrlich schön, wieder da zu sein und all das Elend wieder zu sehen. Unter der Woche. Da steigt die innere Euphorie-Nadel gen Vergnügungs-Horizont.
Aber die Nachteile mal bei Seite, die Bands klingen doch ganz gut: Die arbeitslosen Bauarbeiter, Volker Putt und Purgen. Wahrscheinlich ist der Übeltäter „Purgen“ dafür verantwortlich, dass die Konzerte unter anderem in der Arbeitswoche stattfinden. Aber gut, sie waren auch der hauptsächliche Grund, weshalb ich überhaupt erst gekommen bin, von daher sei dieser Umstand schnell verziehen.

Unerträgliches Gestöhne, seltsam undefinierbare Flüssigkeiten, ständige Berührungen von hinten: So sieht normalerweise ein Abend im Ost aus, wenn halbwegs interessante Bands zu sehen sind und man gerade nicht auf seinen Rücken aufpasst. Doch heute Abend haben es anscheinend gerade mal 3 Dutzend Leute geschafft, diesem „Festival“ beizuwohnen.
Selbst als die erste Band – Die arbeitslosen Bauarbeiter – die Bühne betritt und zu spielen anfängt, scheint sich der Saal nicht sonderlich merklich zu füllen. Haben auf einmal alle Arbeit gefunden oder was?
Doch wie es sich für gebürtigen Punkrock gehört, wird unabhängig von der Anzahl der Anwesenden einfach losgerockt. Schnell wird klar, dass sich die drei Musiker aus Chemnitz (an der Stelle vielen Dank an Karsten Conform und sein Review über die neue CD der Band; dass sie nämlich aus Chemnitz kommen, wusste ich gar nicht!) sehr wohl im flotten und fast schon Tanzmusik-Anregendem Genre wohl fühlen. Ich musste unfreiwillig an eine fröhlichere, flottere Version von „The Wohlstandskinder“ denken, um den Vergleich halbwegs greifbar zu machen.
Die Musik ist ganz nett, spricht mich aber nicht auf Dauer wirklich an. Besonders auffällig waren die ganzen „Aaahhhh“‘s und „Wooohhooooo“‘s in ihren Stücken. Hintergrundgesänge in allen Ehren, aber das Ost-Trio übertreibt es da ein wenig zu sehr. Irgendwann wirkt das Ganze ein wenig aufgesetzt und nervt eher, als dass es Atmosphäre schafft. Positiv jedoch war das gecoverte Lied „Auswärtsspiel“ von den Toten Hosen. Wunderbar geeignet, um mitzugröhlen und den ganzen fröhlichen Mist (Punkrock hat scheisse gelaunt zu sein, verdammt!) zu vergessen.

Meine heutige Begleitung (älter, ungewaschen, männlich) beginnt nach dem Auftritt schon nervös zu zittern. Feine, zarte Sabberfäden schmücken das vor Kälte und Trockenheit schon fast blutig-angerissene Lippenpaar und die Pupillen werden immer größer, als ob er gerade eine kleine Portion LSD zu sich genommen hat: Die lang erwartete Band Volker Putt betritt die Bühne und sofort schiessen die Bilder von älteren Auftritten durch den Kopf: Harte und abgrundtief böse Saiteninstrumente, die teilweise schon im Metal-Genre anzusiedeln sind, ein schepperndes Schlagzeug und eine bis zur Unkenntlichkeit trainierte Stimme, die der Bedeutung des „Gröhlens“ mehr als nur gerecht wird. Dann gibt es mal ein Stück zum mitfeiern, ein Song ist eher zum herumrocken da und der andere Song knallt vor lauter Geschwindigkeit nur so voran. Kurzum: Ein gewohnt guter Auftritt von Volker Putt, die ihre Anwesenheit sogar noch mit ein paar neuen Liedern versüßt haben. Klingt nicht schlecht, meine Herren!

Ein kleiner Hauch von Wodka durchfließt träge diesen Raum. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass Purgen nun auf der Bühne stehen, um ihren Soundcheck durchzuführen. Mit einem lustigen gebrochenen Englisch („Nneet somm boss on monnitorr“) wird man bereits vor der eigentlichen Musik ganz gut unterhalten. Faszinierend, wie gut diese beiden Sprachen doch zusammenpassen…wenn man sie denn beherrscht.
Was noch besser passt, ist jedoch die Musik der russischen Rocker auf die Gehörgänge der Zuschauer! Geboten wurde eine tolle Symbiose aus Hardcore und Melodie, aus Aggressivität und Wohlklang und exzellenter Technik. Gepaart wurden Gitarren-, Bass- und Double-Base-Drum-Einsätze durch zwei Sänger, die in dem Sinne keine Sänger waren, sondern Sprachmonster. Während der Frontsänger gerade so noch ein paar gesangstechnische Einlagen beschert hatte, brüllte und schrie der Gitarrist alles andere zusammen, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Eine hübsche Symbiose aus einer Schrei-Stimme und einer Weniger-Schrei-Stimme. Klingt echt gut!
An Abwechslung sollte es auch nicht fehlen: Mal rollte die Musik wie ein Panzer über das Publikum hinweg und das andere Mal gab es einen sehr pogoanregenden Rhythmus, der nur so in die wenigen Leute reingescheppert hat. Fett!

Exzellent. Der Abend war – trotz des Arbeitstages danach – ein voller Erfolg gewesen. Zwar eignen sich Konzerte eher für Wochenenden oder andere längere Freizeiträume, aber wenn so ein Knüller direkt vor der Haustür steht, kann man schlecht „Nein“ dazu sagen. Ein sehr nettes Bandaufgebot zu einem ganz fairen Preis. Wer also fleißig Pfandflaschen wegbringt, kann die Bands unter anderen Umständen auch mal live sehen. Keine Sorge, der Aufwand lohnt sich!


Geschrieben von ChaosZx2 am 06.01.2013, 00:00 Uhr


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