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Slime - 3!+7hoch1
Weitere Informationen:
https://www.youtube.com/watch?v=PXlUtVMIUuE
https://www.youtube.com/watch?v=aXXAlEAqiDY
Es gibt Bands, die altern wie ein guter Whisky: Sie werden komplexer, gewinnen an Tiefe, verlieren aber nichts von ihrer Schärfe. Und dann gibt es Bands wie SLIME – die mal kein Whisky, sondern ein Molotow-Cocktail waren. „3!+7hoch1“ ist kein schlechtes Album. Es ist ein ehrliches Album – und genau das ist das Problem. Denn wer wie ich mit „Schweineherbst“ groß geworden ist, der weiß: SLIME waren mal kein Getränk für Genießer, sondern ein Brandanschlag auf die Fassade. Heute, über vier Jahrzehnte später, brennt es immer noch – aber anders. Die Band, die sich intern längst „Slime 3“ nennt, hat sich nicht verraten, sondern weiterentwickelt. Und das ist so faszinierend wie ernüchternd.
Tex Brasket brüllt auf „3!+7hoch1“ nicht mehr nur – er ringt. Mit der Welt, mit sich selbst, mit der Erwartung, dass eine Band wie Slime eigentlich immer noch die gleiche ungebändigte Wut ausstrahlen müsste wie vor Jahrzehnten. Doch die Zeiten haben sich geändert, und SLIME auch. Die Dynamik des Albums – dieses Hin- und Her zwischen roher Energie und melodischer Reflexion – ist kein Zufall, sondern Programm. Die Gitarrenwände von früher sind einem durchkomponierten, fast schon rockigen Sound gewichen, der Tex‘ Stimme mehr Raum gibt. Das ist mutig und notwendig, denn die Texte verdienen es, gehört zu werden. Wenn er in „Euch will ich sehen“ davon singt, wie schnell unsere scheinbar sichere Welt in Krieg, Krise oder Chaos kollabieren kann, dann tut er das mit einer entfesselten Intensität, die beweist: Die Wut ist noch da – aber sie ist ratlos geworden. Kein blindes „Alles kaputt!“ mehr, sondern die Frage: „Was bleibt, wenn alles zusammenbricht?“ – und die ist heute, in Zeiten multipler Krisen, aktueller denn je.
Doch genau hier liegt auch das Dilemma. SLIME waren nie eine Band, die sich mit halbgaren Antworten zufriedengab. „Evolution“ seziert die Sackgassen des menschlichen Fortschritts mit einer Ironie, die zeigt: Die Band hat nichts von ihrer kritischen Schärfe verloren. Und „Monster“ beweist, dass SLIME auch Verletzlichkeit und Zweifel thematisieren können, ohne in Selbstmitleid abzurutschen. Das ist neu. Das ist gut.
Am schwächsten wird das Album hingegen, wenn es eine gefühlige Mitgröl-Romantik erzeugen will. „Armes Deutschland“ – ein dick aufgetragener Einstiegssong, der sich anfühlt, als hätte man Hip-Hop-Posen einfach nur mit Punkrock-Gitarren unterlegt. Oder „Bock auf Leben“, eine kalkulierte Rebellions-Nostalgie, die so gewollt klingt, dass man sich fragt: Für wen eigentlich? Für die Festival-Crowd, die sich beim Refrain die Faust in die Luft reckt? Für die Nostalgie-Käufer, die sich an die alten Tage erinnern wollen? Beide Gruppen werden bedient, aber keine wirklich erreicht. Hurra, wir sind da, wir sind so wilde Punker – und noch ein Bier auf das Leben? Braucht kein Mensch. Und noch ein Gitarrensolo hinterher! Befindlichkeitsrock?
Rocko Schamoni schrieb über SLIME: „Sie konnten mit ihrer Musik Mauern aus Stahl durchbrechen.“ „3!+7hoch1“ durchbricht nichts. Es ist ein fettes, professionelles Album – aber es fehlt die Dringlichkeit von einst. Die Wut ist da, die Texte sind stark, die Produktion sitzt. Doch wo ist der Song, der nicht nur gefällt, sondern aufrüttelt?
„3!+7hoch1“ ist kein Meilenstein, aber ein notwendiger Schritt. SLIME haben sich weiterentwickelt – und das ist besser als Stillstand. Vielleicht ist das der Preis der Reife: Man wird klüger, aber verliert die Unschuld. Es ist ein gutes Album – aber eines, das rund läuft, ohne zu explodieren. Und manchmal, nur manchmal, wünscht man sich, sie würden noch einmal alles kurz und klein schlagen. Einfach so. Weil es geht.
Geschrieben von King Kraut Gestern, 12:51 Uhr
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