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Einsturz - Deutschland friert

Einsturz - Deutschland friert

CD Eigenproduktion 31.08.2013
  7 / 10

Weitere Informationen:
https://www.facebook.com/einsturzpunkrock


„Deutschland friert“, so prangt der Titel auf dem Silberling, wie er so einfach vor mir liegt, nachdem ich gierig die Verpackung aufgerissen und mich des Verpackungsmülls entledigt habe. Kommt mir ganz recht, sage ich mir, ich mag den Sommer oder heiße Temperaturen sowieso nicht. Da kommen die kalte Jahreszeit und der stimmungsvolle Titel doch genau richtig. Doch bevor ich mich in entsprechende Schale schmeiße, gibt es ja noch die Musik, die sich hinter dem Cover verbirgt…

Normalerweise stehe ich „Deutschpunk“ ein wenig skeptisch gegenüber, wenn man mal von meinen Favoriten oder von einzigartigen Bands absieht. Verstörende Nix-Gut-Beispiele oder selbsternannte revolutionäre Phrasendrescher der Punkkultur haben mir oft einen schmerzhaften Stoß ins Herz versetzt, wodurch mein Glaube grundlegend erschüttert wurde, dass es irgendwann nochmal eine neue Generation von Hoffnungsträgern gibt, die den „Alten“ mal zeigt, dass die Musik noch lange nicht abgedankt hat. Oft darf man sich nämlich über hirnlose Parolen, dummes Gelaber oder eine langweilige Musikkulisse ärgern, bei der sich sogar ein Bahnhofsgong fremdschämen würde. Warum aber dieser Exkurs? Ganz einfach: Einsturz reihe ich nicht zu diesen Bands ein, die in dieser Schublade gemütlich Platz nehmen durften!
Meine Skepsis wurde bereits wenige Sekunden nach dem eingehenden Trommelwirbel und dem flotten Rhythmus des Premier-Songs „Kaputt“ zerstreut und weiß auch textlich gute Akzente zu setzen:

„Und maloche dann, mein Leben lang / Damit ich es den anderen Recht machen kann“

Der darauffolgende Verweis auf die persönliche Einsamkeit rundet das Erlebnis schön ab und reißt den Zuhörer mit der richtigen Stimme in eine emotionale Verständnislage, die einen voll und ganz  mitfiebern lässt. Solche Momente gibt es immer wieder mal über das ganze Album verstreut zu hören, was von Konstanz und einem gewissen Verständnis für die Kombination aus Sprache und Melodie zeugt. Zwar drängeln sich manchmal ein paar 0815-Zeilen durch, aber die fallen nicht sonderlich auf. Das hat einen ganz besonderen Grund:

Zum „Deutschpunk“, einer doch sehr dürftigen und allgemeinen Umschreibung, möchte ich gerne noch die Adjektive „flott“ und „melodisch“ hinzufügen. Denn: Wie ein Mantel legt sich die Musik in so gut wie jedem Stück erfolgreich über die Texte und fusioniert somit zu einem temporeichen und „zum-takt-mit-dem-fuß-wippenden“ Werk, das einem keine Ruhe lassen möchte. Die Texte erhalten trotz ihres äußeren Erscheinungsbildes mit Hilfe der Stimme und Instrumente eine seltsam wirkende „Tiefe“. Sehr schön durfte ich das im Lied „Auerkoren“ erfahren:

„Auserkoren / Reich geboren“

So simpel es klingt, dieser einfach wirkende Refrain erhält durch die Zusammenarbeit zwischen den Bandmitgliedern eine verdammt packende Atmosphäre. Das hat nicht selten dafür gesorgt, dass dieser Song (freiwillig) ein paar Male öfters auf dem geistigen Plattenteller kursierte. Weiterhin sehr positiv auffallend gesellen sich Lieder, wie „Welt verändern“ (für mich der beste Song auf dem Tonträger!), „Traurig aber wahr“ oder „Krass“ dazu und runden das Gesamtpaket „Deutschland friert“ passend ab.
Doch manchmal neigt sich der atmosphärische Schwerpunkt für meinen Geschmack ein wenig zu stark Richtung „Neue-Tote-Hosen“, wenn  ich mir die Hintergrund-Gesangsparts à la „Wooohoo“ anhöre. Doch auch hier schaut man gerne darüber hinweg, weil diese Parts entweder fix dem Ende zugehen oder quantitativ nicht zu schwer ins Gewicht fallen.

Auch wenn die Texte nicht unbedingt den Lyrik-Olymp der Geschichte des Rocks darstellen, so sprechen sie dennoch eine klare Sprache und machen die Attitüde der Band unmissverständlich deutlich: Soziale Kälte, Ungerechtigkeit, Ungleichheit, Ignoranz und Resignation sind nur ein paar der vielen Themen, derer sich die fünf Rocker annehmen, deren komplette Aufzählung den hiesigen Rahmen sprengen würden. Wenn hier noch zusätzlich in der Raffinesse der Wortwahl, der strukturierten Verbindung der Worte und Reime gearbeitet wird, dann könnte sich das nächste Album mit der Beibehaltung der instrumentellen und stimmlichen Verarbeitung ein wahrer Geheimtipp anbahnen.
„Deutschland friert“ ist eine erfreuliche und willkommene Alternative zu vielen anderen „Deutschpunk“-Bands, die sich gemäß der Philosophie einer Eintagsfliege auf diversen Samplern herumtreiben und genau so schnell in die verdiente Vergessenheit versinken. Zwar mag es ein paar Stellen geben, wo der Charakter des „Typisch-Deutschpunk“ durchscheint, aber zum Glück sind diese Momente spärlich gesät (auch wenn das Cover etwas anderes vermuten lässt) und wirken sich in Form von ein paar Liedern nicht wirklich auf den Gesamteindruck aus.

Einsturz haben mir eine schöne und tolle Überraschung bereitet und dürfen sich zu Recht über eine positive Wertung meinerseits freuen und bekommen noch den Wink mit auf dem Weg genau da weiter anzuknüpfen, wo sie aufgehört haben.

Für all jene noch, die sich über die Wertung von „nur“ 7 Punkten wundern: Dies ist lediglich dem Umstand geschuldet, dass ich zur Zeit sehr viel Input von anderen Bands bekomme, die meine momentane Auffassungsgabe beeinflussen. Von daher möchte ich mich viel lieber auf eine Wertung von „7,5“ einigen, da für mein persönliches (!) Glück noch ein kleines Quäntchen Würze gefehlt hat. Ansonsten darf man meine Zeilen gerne so hinnehmen, wie sie da stehen.


Geschrieben von ChaosZx2 am 28.10.2013, 22:13 Uhr


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