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Pussycat Kill - Faster Than Punk

Willkommen zum Punkrock-Quiz! Frage eins: Wie schnell ist Punk eigentlich?
Diese Frage zu beantworten bemüht sich das Quartett PUSSICAT KILL. Um es vorweg zu nehmen, mit dem gleichnamigen Russ Meyer Film aus dem Jahre 1966 haben die Dame und drei Herren aus dem schönen Madrid rein ästhetisch wenig am Hut. Wer also nomen est omen ein Booklet voll von Fotos sich auf Diwanen windender, einfältig dreinschauender, spärlich bekleideter Damen mit bestimmten maßlos überdimensionierten Körperteilen erwartet, wird enttäuscht sein. Und das ist auch besser so, wer schneller als der Punk sein will, hat andere Sorgen als Silikonpomeranzen zu hofieren. Ich habe mir persönlich eigentlich nie die Frage gestellt, ob Geschwindigkeit ein Qualitätsmerkmal für Punkrock ähnlich des Demeter-Siegels in Bio-Läden ist. Aber wenn wir schon einmal dabei sind, die Messlatte ist 1996 bisher uneinholbar von den Herren EXPLOITED auf ihrem „Beat The Bastards“ Album gelegt worden. Weder unseren Freunden den CASUALTIES, noch den grandiosen DISCHARGE ist es bisher gelungen, auch nur ansatzweise an diesem Thron zu wackeln.
Zurück zum iberischen Vierer. Auf ihrem aktuellen Longplayer hat man sich also zum Ziel gesetzt, mit 14 Liedern verteilt auf 42 Minuten ordentlich in den Arsch zutreten. Das Eröffnungsstück einer Platte gilt für mich noch immer als eine Art Visitenkarte – sie empfiehlt das folgende Angebot. Und ja, mit „Wake Up“ legt man nicht gerade zimperlich los. Im guten Midtempobereich wird gezeigt, wohin die Reise gehen soll: Female-Punk, Melodie, Chöre, NOFX-Breaks. Alles vorhanden, um guten Punkrock zu destillieren. Bereits mit dem folgenden Stück „Eat You“ wird aber das Tempo eigenartigerweise erheblich gedrosselt und im soliden 4/4 gestampft. Track 3 gibt wieder amtlich Geschwindigkeit vor. Tracks 4,5, 8, 9, 12, 13 ähneln sich sehr, haben aber alle einen einprägsamen Refrain und sind im gut tanzbaren Tempo gehalten. Und da haben wir es. Es gibt eigentlich nichts auszusetzen. Die Platte geht in Ordnung. Jetzt wartet ihr sich auf mein „Aber“. Das gibt es tatsächlich. Die Lieder laufen mir zu einfach durch. Das Songs sich ähneln empfinde ich dabei nicht unbedingt als Mangel, es ist ja schließlich kein Prog-Rock und wer geanu auf diese Art Musik abfährt - bitteschön, der hat eben mehr davon. Nur wenn bei Track 13 angelangt, selbst nach mehrmaligem Hören bis auf wenige Ausnahmen kein Song so richtig hängen bleibt, ist das für mich zumindest etwas mau.
Hochgeschwindigkeitspunk? Am ehesten wird diesem Attribut Track 7 gerecht. Mit knappen 2min4sec ist „Criminals“ das kürzeste Stück und für mich das zweitbeste auf diesem Album. Sehr schnell, mit sehr einfacher musikalischer Struktur aber einer guten Gesangsmelodie und clever verwendeten Chören wird eindrucksvoll bewiesen, dass Punkrock eigentlich nicht viel benötigt, um durchschlagend und eindrucksvoll zu sein.
Aber der Höhepunkt des Albums wartet mit dem letzten Stück „Te Odio Madrid“ – „Ich hasse Madrid“ auf. Mit 5 Minuten Spielzeit fast doppelt so lang wie die durchschnittliche Spiellänge aller übrigen Lieder. Erfrischend anders und in jeder Hinsicht herausragend. Zunächst einmal ist es in der Muttersprache unserer Sangesdame gehalten, was ihr wirklich viel, viel besser steht. Nicht dass ihre englische Aussprache zu bemängeln wäre, aber sobald die gute Frau in ihrer Muttersprache mitteilt, was sie uns mitzuteilen hat, nämlich wie angepisst sie von ihrem ach so schönen Heimatstädtchen eigentlich ist, klingt alles eine Spur authentischer. Plötzlich ist richtig Dreck und Ausdruck in der Stimme und genau dieses gewisse Etwas fehlt mir bei den meisten Liedern dieser Platte. Musikalisch hat dieses Stück aber mindestens genauso viel zu bieten. Es scheint eine Art Medley zu sein, denn es unterscheidet sich von allen vorhergehenden Stücken vor allem darin, dass sich kaum ein Teil wiederholt und sich die guten Melodien reihenweise den Notenschlüssel wie beim Staffellauf einander weiterreichen. Von der ersten bis zur letzten Minute reißt dieses Stück mit. Am Ende sorgt ein Ska-Teil, wie wir ihn von den guten, alten STROH, SKA-P, Y BASTA! oder auch MANU CHAO kennen und lieben, für unerwartete Tanzlust. Ein Stück, das pure Spielfreude zum Ausdruck bringt.
Zeit für ein Fazit. Die eingangs gestellte Frage werden auch die vier Musiker nicht beantworten können. Es ist ja immer ein heißes Eisen mit den Vergleichen, da dem Rezensenten damit auch ein latentes Schubladendenken unterstellt werden kann. Aber es ist viel Bekanntes zu finden und damit natürlich sehr vergleichbar mit bereits Dagewesenem. Wer noch den guten Zeiten von DEADLINE und ihren besten Alben „Back For More“(2003), „Getting Serios“(2005), oder „Take A Good Look“(2006) nachtrauert, wird hier bei einigen Stücken seine Freude haben, auch wenn nicht an deren Geschwindigkeit angeschlossen werden kann. Wer eher mit den ersten beiden DISTILLERS-Alben etwas anfangen kann, wird hier auch nicht wenige musikalische Zitate wiederfinden. Dennoch ein gelungenes Werk. Gut produziert, für meine Begriffe etwas zu zahm, man hätte es mehr krachen lassen können. Die Becken sind mir zu leise, die Gitarren könnten wesentlich mehr Druck vertragen. Aber rein musikalisch gibt es wenig zu bemängeln. Solide, mit einer gesunden Portion Rock’n’Roll. Ich bin gespannt, wie die Dame und Herren sich live zu verkaufen wissen. Die Platte ist mir dennoch sieben Punkte wert, da die angesprochenen Lieder 7 und 14 selbst als Single eine Kaufempfehlung wert sind.
Geschrieben von Alius am 10.06.2016, 14:33 Uhr
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