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Svetlanas, Dwarves, im Lido, Berlin
DWARVES. Gewalt, Sex, Punkrock. Unter der Woche trotz S-Bahn-Streik bis ins ferne Kreuzberg zu reisen grenzt für einen Spießer wie mich schon an Arbeit. Dennoch: Von meinem letzten DWARVES-Konzert hatte ich nur wenige Erinnerungen mitgenommen, dafür konnte ich zwei Wochen lang nur Humpeln. Wie ein Zeuge mir berichtete, war ich mit einem Sidekick (Yoko Geri, für Euch Karateka) von der Bühne befördert worden. Ich hatte diese dank Mümmelmann-Exzesses (Jägermeister-Kopie von den Albrecht-Brothers) einmal zu oft geentert. Kurzum, da ich die DWARVES mag, wollte ich doch mal ein Konzert bewusst genießen – So heißt das doch bei gesundheitsschädlichen Dingen?
Sonderlich voll war das Lido zu Beginn nicht, eher die Conaisseurs hatten sich eingefunden. Die wurden gleich von den SVETLANAS nicht geschont. Zur Begrüßung wurde ein Putin-Portrait abgefackelt, damit war die Marschrichtung klar. Nach Studium unseres Archivs hatte ich eine reine Frauenband erwartet, tatsächlich gab es aber drei Männer (Ivan? Vladimir? Pjotr?) und nur eine Svetlana, die dabei Olga heißt. Diese hatte aber scheinbar Wodka mit zehn Brausetabletten intus und verwandelte alles im Radius ihres Mikrofonkabels in eine Gefahrenzone. Eine eher schmächtige Gestalt, aber alles an ihr strahlte Aggression aus. Dazu Grimassen und ein Irrer Blick, Aufforderungen, uns zu ficken und gelegentliche Ausflüge ins Publikum, das es sichtlich genoss, angerempelt zu werden. Nicht zu vergessen: Sie sang auch, und das ergab dann mit der gründlich eingespielten Band ratternden, harten Punkrock mit einer dicken Dosis Thrash-Riffs. Passend dazu war der Gitarrengenosse ein Metal-Man, der seine Einflüsse gern in angedeuteten Speed-Soli offenbarte. Gut vorgelegt, und nach etwa einer halben Stunde waren das Set und das Publikum durchgeprügelt für die Hauptband.
Allmählich hatten sich schon mehr Leute versammelt. Ein halb volles Lido an einem Donnerstag schätze ich als ordentlich ein. Das hier schienen mir dennoch eher Fans als die zufälligen Szene-Kanaillen zu sein, die eh auf jeder Punkrock-Party abhängen. Dadurch herrschte eine lockere Stimmung, als die DWARVES uns mit „Let Me Show You How It's Done“ eine Lektion erteilten. Nick Olivieri nur mit seinem Bass bekleidet, zeigte uns, wo der Hammer hängt. Hö. Hö. Ich überlegte, ob er eigentlich einen großen Pimmel hat oder es nur so aussieht, weil er, nun, ein Zwerg ist. Mit so einem Basser, der geil spielt und dazu schreien kann wie eine Bestie hat man als Skandalband jedenfalls eine amtliche Grundlage. Sänger Blag Dhalia hingegen wirkte ein wenig pummeliger als gewohnt, das Alter und das gute Leben vermutlich. Wie ein etwas zu groß geratener Junge. Und so ging es nahtlos von einem Klassiker in den anderen. Die gesamte Punkrock-Phase der Band wurde gut bedient, also von „Blood, Guts & Pussy“ bis heute. Ich könnte jetzt einige Stücke nennen, die mir fehlten. Aber wenn man keine Spezialistengespräche führen will, kommt man doch zu dem Schluss, dass die DWARVES sich ein gewisses stilistisches Feld abgesteckt haben, das sie auf jedem Album beackern und dazu noch vereinzelt Experimente fügen. Das ist gut so, denn bei der gleichbleibenden hohen Qualität dieser Stücke kommt es letztlich auf das eine oder andere nicht mehr an. Wir bekamen unsere Pop-Punk-Perlen („There Better be Women“), unsere Highspeed-Schraddel-Burner („Dominator“) und alles was dazwischen („Backseat Of My Car“) oder abseits davon liegt („You Gotta Burn“, „Sluts of the USA“). Psychedelische Effekte oder Samples blieben außen vor. Kein Hip Hop, kein „Over You“, und vor allem keine Samples von kleinen Mädchen. Da merkte ich erst, wie sehr jene für mich im Sound der DWARVES verankert ist, aber bei handgemachtem Punkrock bleibt kein Firlefanz über. Dafür eine absolut textsichere erste Reihe vor der Bühne, die immer passgenau ihr „Blood!“ und „Fuck!“ ins hingehaltene Mikrofon lieferte.
Der Sound war prall und füllig, und wer auch immer aus dem weiten Zwergen-Kollektiv der Gitarrist und der Drummer an jenem Abend waren, sie machten ihre Arbeit tadellos. Interessanterweise waren die Gitarrenanschläge nicht so definiert hörbar, wodurch die SVETLANAS klangtechnisch näher am Sound der DWARVES-Aufnahmen lagen als diese selbst. Solche Details konnten aber nicht die Stimmung Bremsen, die das dynamische Set über eine gefühlte Stunde hinweg entfaltete. Damit auch die Fetisch-Fick-Message der Band keinesfalls unterging (wie denn?), verschönerten gegen Ende zwei Tänzerinnen in Korsett und Lucha-Libre-Masken mit ihrer Gegenwart die Bühne und schossen mit Konfetti. Diesmal also Sex statt Gewalt. So habe ich an dem Abend wenigstens nicht nur alte Männer mit alter Musik gesehen. Das wäre aber auch schon gut gewesen. Diese Band ist eine zeitlose Konstante für guten Punkrock und unterhaltsame Shows, die hoffentlich so bald nicht aufhört.
Geschrieben von King Kraut am 03.05.2015, 10:18 Uhr
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