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Raimundos - Lapadas do Povo

Weitere Informationen:
http://www.raimundos.com.br
Heute mal völlig unaktuell und zu meinem eigenen Vergnügen ein hierzulande kaum bekanntes Album, welches eine Schlüsselposition in meiner musikalischen Sozialisation einnahm.
Die 90er Jahre waren eine goldene Zeit für die Freunde harter Gitarrenmusik. Auch nach Brasilien schwappten sowohl das Punk-Revival als auch die Crossover-Welle hinüber, welche maßgeblich durch RAGE AGAINST THE MACHINE ausgelöst wurde. Hardcore alter Schule war dort ohnehin nie verstummt, und so kamen die RAIMUNDOS genau im richtigen Moment mit ihrer appetitlichen Mischung um die Ecke, um innerhalb weniger Jahre zum Rockstar aufzusteigen und am Gipfel des Ruhms zu verglühen.
LAPADAS DO POVO, das vierte Album der Band, ist mein persönlicher Favorit: Vom tonnenschweren Opener „Andar na pedra“ geht es nonstop unter Hochdruck durch bis zum düsteren, wütenden Abschluss „Baile Funky“. Abwechslung ist garantiert, es gibt Rap-Metal zu kosten, poppigen Punkrock im Stil der Namenspaten RAMONES (inklusive eines Covers in zotiger Übersetzung) und rasanten Hardcore, der dem Zuhörer die Badelatschen auszieht. Alles ist einerseits eingängig und trotzdem stilsicher rockend, die Platte erscheint wie aus einem Guß und läuft durch wie eine Pulle Zuckerrohrschnaps. Der Sänger schnattert in hohem Tempo die absurden bis anzüglichen Texte auf breite Gitarrenwände, die langsameren Stücke werden durch effektive Riffs zum Grooven gebracht. Das einzige, was mir auf dem Album fehlt, ist der fröhliche Forró-Core der frühen Alben, wo noch ein Akkordeon einen Schuss nordöstlicher Volksmusik über den Knüppelbeat legte. Möglicherweise wollte die Band aber nicht auf dieses Gimmick reduziert werden und hat es deshalb diesmal bewusst ausgelassen. Gleichzeitig war der Bruder von Gitarrist Digão um die Zeit der Entstehung des Albums bei einem Motorradunfall gestorben, was wahrscheinlich zum wütenden Grundton beitrug.
Abschließend sei noch angemerkt: Was im zeitlichen Rahmen leicht wie kommerzielles Kalkül wirkt, täuscht. Obwohl sie mehrere Facetten des damals aktuellen Rock-Mainstream bedienten und schließlich von ihm aufgesogen wurden, war gerade die Kombination der Stile aus einer in Brasilien nicht unüblichen Liebe für alle Spielarten des Rock entstanden, die sich nicht entschließen wollte, was sie denn nun am liebsten spielen wollte, und wo irgendwelche Szenedünkel schon wegen des Mangels an Alternativen außen vor bleiben mussten. Jahrelang wurden die Raimundos für ihre Fick-Texte von den Radiostationen gemieden, und nur mühsam ackerten sie sich durch eine erdrückende Welt hohler brasilianischer Tanzmusik. Diese CD ist für mich neben dem einzigartigen Debut der Höhepunkt einer Band aus der Provinz, die frisch gelandet ist auf der obersten Etage des Ruhms und neben MTV, Majordeal und Groupies fest entschlossen ist, dem Hörer zu zeigen, wo man sich noch mit der Machete rasiert.
Geschrieben von King Kraut am 05.09.2014, 13:50 Uhr
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