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Elizium - Relief By The Sun

Elizium - Relief By The Sun

CD STF Records 16.05.2011
  9 / 10

Weitere Informationen:
http://www.elizium.nu/
http://www.myspace.com/eliziumgothic


Das Leben geht manchmal seltsame Wege. Wie einfache Missverständnisse oder Ausrutscher Ereignisse verhindern oder wie eigenständige Aktionen zu einem schönen Ergebnis führen können ist schon eine krasse Vorstellung. Ein schönes Beispiel macht dabei die Platte „Relief By The Sun“ von der Band „Elizium“, da ich um ein Haar nicht in den Genuss dieser Scheibe gekommen wäre. Warum das absolut schrecklich gewesen wäre, sollt ihr nun in den folgenden Zeilen erklärt bekommen, auch, wenn meine Gefühlsebene in etwa so interessant ist, wie eine Vorlesung über die Relativitätstheorie…die in einer Grundschule gehalten wird.

„Heavy Metal“ zeigt mir mein treuer aber ein bisschen minderbemittelter Windows Media Player an. Es mag zwar nicht ganz mein Thema sein, dachte ich, aber prinzipiell mag ich Metal schon. Vor allem, wenn er richtig gut gemacht worden ist. Doch kaum habe ich auf „Play“ gedrückt, schallt mir das erste Lied „War In Heaven“ entgegen und ich bin echt erstaunt. Geigenähnliche Geräusche bilden das Intro, tiefe Trommeln sind im Hintergrund zu hören und steigern die atmosphärisch sehr dichte Spannung. In dem Moment, als der Gesang einsetzt, schaue ich nochmal verdutzt auf das Genre. Es steht immer noch „Heavy Metal“ da. Ich wusste es gleich: Diese Scheiss-Technik von heute macht einem immer mehr Schwierigkeiten! Denn der Gesang ist alles andere, als „Heavy Metal“, denn ich würde das wirklich als „schön“ einstufen. Nicht, dass ich das nach Bier stinkende Gegrunze von Metal-Bands nicht auch schön finden würde, aber der Sänger versteht sein Handwerk wirklich „sanft“ und verdammt melancholisch einzusetzen. Vielleicht wäre ja "Gothic Metal" angemessener? Die Instrumente machen auch brav mit: Dumpfes und tiefes Schlagzeug, welches nicht zu laut ist und eher im Hintergrund zu hören ist, der Einsatz eines Synthesizers und sanft gespielte Saiteninstrumente. Es passt alles wunderbar zusammen und die Töne drücken im Grunde genommen nur die Stimme in den Vordergrund. Geil, denn genau DORT gehört sie auch hin! Verstärkt wird der Effekt noch dadurch, dass der Klang etwas mit „Hall“ bearbeitet wurde, was einem den Eindruck von Ferne und Weite vermittelt. 
Ähnlich geil geht es mit den Titeln weiter: „Nevermore“ lässt einen wirklich kleine Metalfetzen vernehmen (die sonst noch ganz fein über das ganze Album verstreut sind), die sich in Form von tiefem Gesang äußern, die sehr passend zwischen die Gesangspassagen eingebettet wurden. Auch die Gitarre klingt finsterer und härter und unterstreicht seltsamerweise das verzweifelte Stück ziemlich gut. Wie machen die das? Ein halbwegs harter Klang zu einem verzweifelten Gesang?  Na gut, mir soll es egal sein: Es klingt super, das ist es doch, was zählt.
Ich könnte natürlich auch weitere Titel nennen, um ihre tollen Eigenheiten und Besonderheiten aufzuzählen, aber irgendwie würde sich diese Kette dann endlos durch das ganze Album ziehen. Ich könnte mich nämlich nicht entscheiden, welchen ich besonders hervorheben sollte, da mir wirklich ALLE Lieder gefallen, was sonst extrem selten der Fall ist. Schade ist dabei wirklich, dass es nur 11 Stücke auf diesem Album gibt, denn ich könnte von dieser Band noch deutlich mehr vertragen.

Stilistisch kann man „Elizium“ schlecht einordnen: Auch wenn ich ein bisschen Rammstein raus hören kann (Harte Gitarren und Keyboard gehören ja zu den Berlinern auch dazu), so spielen sie doch komplett ihren eigenen Stil. Der Sänger scheint nicht nur zu singen, sondern verzweifelt zu „rufen“, die Instrumente sind allesamt sehr träumerisch und langsam (fast schon schleppend) ausgelegt, was sich in Kombination mit dem Sänger einfach nur verflucht geil anhört! Wo beispielsweise „Fliehende Stürme“ eher ein verzweifeltes „Murmeln“ von sich geben, so fahren „Elizium“ auf einer Schiene, bei der man seine Verzweiflung in die endlose Leere rein rufen möchte, um einem schwarzen Echo zu lauschen. Der Stil (Melancholischer Rock) mag zwar ähnlich sein, aber die Art und Weise der Überlieferung ist gänzlich anders…und dennoch grandios gelungen!

Textlich machen die Metaler auch keinen Hehl aus ihrer Einstellung: Es geht um Einsamkeit, Tod und Hilflosigkeit (der Blick auf das Frontcover verrät eigentlich alles, was man wissen muss). Sei es nun die stechende Einsamkeit und Kälte in einem selbst, der Tod einer geliebten Person oder ein Schreckensszenario, welches in all seinen Details ausgemalt wird: Wenn man alles in einen großen und rostigen Topf schmeißen, bei ca. 180°C für 25 Minuten (nicht länger, sonst wird daraus noch Screamo!) köcheln lassen würde, käme genau dieses Album heraus. Man kriegt den Melancholie-Knüppel direkt in die Fresse!

Wobei man an der Stelle sagen muss, dass diese Wertung meiner momentanen Meinung entspricht und nicht meinem Ersteindruck. Anfangs wusste ich nicht viel damit anzufangen, weil sich der Einstieg in dieses Album ähnlich zäh gestaltet hat, wie Jahre alter Kaugummi unter dem eigenen Schultisch. Man muss sich erst einmal auf die fünf Melancholiker einlassen, um ihren wahren Kern erkennen zu können. Wer jedoch diese Geduld mitbringt und diese Musikrichtung zu schätzen weiß, der wird mit „Relief By The Sun“ seine wahre Freude haben und allmählich verstehen, warum ich hier in einem Waldbrandausmaß weihräuchere.

Für mich persönlich ist dieses Album ein persönliches Highlight und eines der besten Scheiben, die ich dieses Jahr neu zu Ohren bekommen durfte. Man stelle sich vor, dass ich durch ein kleines Missgeschick vielleicht niemals diese Klänge zu hören bekommen hätte…eine grausige Vorstellung, wo ich dieses Album doch bereits richtig an mein Herz geschlossen habe. Und ich bin mir sicher, dass Fans dieser Stilrichtung es ähnlich sehen werden.

Worauf wartet ihr, verdammt? Anhören!


Geschrieben von ChaosZx2 am 26.09.2011, 00:00 Uhr


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