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Touché Amoré - Is Survived By

Touché Amoré - Is Survived By

CD Deathwish Records 27.09.2013
  8 / 10

Weitere Informationen:
https://www.facebook.com/ToucheAmore


Das Wort „Veränderung“ ist ein zweischneidiges Schwert. Die Ungewißheit vor dem, was nun kommen mag, ist wohl das Schlimmste, was Veränderungen mit sich bringen: Gibt es neue Perspektiven zu sehen? Wird das Liebgewonnene erhalten oder verworfen? Wird es bei Bedarf verbessert oder gar verschlimmert?
Viele Fragen, dessen Beantwortungen oft zu Recht mit Argwohn betrachtet werden, bedenkt man Negativ-Veränderungen, die immer mal wieder verlautbart werden.
Auch  die neue Scheibe „Is Survived By“ von „Touché Amoré“ unterliegt einer solchen Veränderung. Doch im Gegensatz zu vielen traurigen Beispielen, zeigen die fünf aus Los Angeles stammenden Musiker, wie man eine Veränderung erfolgreich anpackt.

Kenner der Band haben mit „…To The Beat Of A Dead Horse“ und „Parting The Sea Between Brightness And Me“ Erfahrungen gemacht, die es wirklich in sich haben: Schwermütige, fast schon zerreißende Instrumente, eine Stimme, in der Verzweiflung, Verachtung und ein Funken Sehnsucht steckt, der einen Ausweg aus der Misere sucht und Texte, die metaphorische Gebirge bauen und dem Verfasser eine tiefgreifende Depression attestieren.

„Is Survived By“ beweist, dass man sich nicht immer übertreffen, das Rad nicht neu erfinden muss, um wirklich etwas Gutes zu schaffen. Gemäß der Worte des Liedes „To Write Content“:

„I’ve overgrown what I used to be / I won’t fake what is expected to succeed with album three”

Jeremy Bolm, der Sänger und Texter der Band, war sich der Situation und der Herausforderung durchaus bewußt, die sich nach der Veröffentlichung der beiden Vorgängeralben von selbst gestellt hat. Es geht nicht nur darum, dass man sich nicht „übertreffen“ möchte, wie es oben so schön beschrieben wird, sondern auch darum, dass man sich textlich und stilistisch ein wenig umorientiert. Die Stimmung ist weniger deprimierend und verzweifelt, der „Druck“, der hinter der Musik stand hat mit der Hektik und dem Tempo zusammen nachgelassen und die Musik ist viel melodiöser geworden. Das heißt nicht, dass all diese Faktoren nicht immernoch irgendwo da sind („DNA“, „Kerosene“ sind welche, die wirklich reinhauen), allerdings bewegt sich das Album als Ganzes merklich in eine andere Richtung.
Auch textlich erkennt man eine Veränderung: Die Frage nach dem eigenen Vermächtnis beginnt eine tiefere Bedeutung zu gewinnen:

„Every love can't always stay and the dead will soon decay. With time we'll all be gone but how you lived can live on.

In diesen Zeilen steckt nicht nur eine neue Thematik, sondern auch ein neuer Charakter. Diesen Worten scheint mehr Mut und Kraft innezuwohnen, als man es der Band anhand anderer Lieder (wobei „And Now It’s Happening in Mine“, vom Debut-Album exemplarisch sein soll) erwartet hätte. Auch der Song „Anyone/Anything“ hat trotz des traurig klingenden Refrains irgendwie einen Eindruck, der von Selbstbewußtsein und Stärke zeugt, auch musikalisch.
Der neue Anstrich macht sich besonders gut bei Liedern, wie „Praise / Love“ oder „Non Fiction“ bemerkbar, die beide musikalisch nicht nur langsam, sondern auch unglaublich atmosphärisch eingeleitet und begleitet werden. Besonders Ersterer punktet für mich persönlich stark durch das abgestellte Mikrophon und das dadurch entstehende „Hintergrundgeschrei“, das dadurch noch mehr Gefühl erhält.

Mir fällt es wirklich schwer so über „Is Survived By“ zu schreiben, sodass ich alles zu meiner persönlichen Zufriedenheit darlegen kann, um den Charakter im Bezug zur Geschichte und den Texten dieser Band wirklich klar und greifbar zu machen. Denn damit man versteht und nachvollziehen kann, sollte man sich – sofern man ein Neuling dieser fünf Herren ist – nicht nur mit den Texten, sondern auch den Alben davor beschäftigen, um ein Gefühl für die Situation zu bekommen.
„Is Survived By“ ist ein Album, das von Aufbruch, neuen Herausforderungen und Ideen zeugt und dabei im Kern immernoch das beinhaltet, was man zu Beginn seiner langen Reise mitgenommen hat. Altes will erhalten bleiben, aber man möchte dennoch neue Wege und Gedanken beschreiben, sich breitfächerig auszubreiten, anstatt sich selbst zu überbieten. Etwas schaffen, das mit dem, was ist, koexistieren kann, anstatt trotz der Unterschiede in eigener Konkurrenz zu versinken. Die Ehrlichkeit von Touché Amoré ist nicht nur beeindruckend, sondern auch verdammt authentisch.

Worte reichen nicht aus, um die Tragweite dieser Entwicklung und Hintergründe zu begreifen. Wer ein Funken von „Emotional Hardcore“ in sich verspürt, der macht sich die erfreuende Mühe und entdeckt Welten hinter den aufregenden Pfaden dieses Albums und derer, die diesem vorangegangen sind.
Kenner und Liebhaber von emotionalem Hardcore fühlen sich auch trotz der Veränderung sehr gut aufgehoben und spüren immernoch den tiefen Herzschlag, der von der Band ausgeht. Emotion, Hoffnungen, Melodie, Energie und Rauheit sind Elemente, von denen man aus der „Is Survived By“ immerzu schöpfen kann, ohne dabei die Enttäuschung der Entfremdung fürchten zu müssen. Identifizierung kann auch ohne Verzweiflung, ohne Melancholie oder ohne negative Gedanken entstehen. Wichtig ist, was der Musik Leben einhaucht; und „Leben“ ist nicht nur in der Band, sondern auch besonders in ihren Texten vorhanden.

Was übrig bleibt, sind lediglich die Zeilen des letzten Liedes, welches der Namensgeber dieses Werkes ist:

„So write a song that everyone can sing along to / So when you’re gone you can live on, they won’t forget you”


Noch eine kleine Randbemerkung: Einen herzlichen Dank an der Stelle auch an "Basti", der mit Information und Hintergründen der Band dieses Review zu dem gemacht hat, das es jetzt ist. Ohne Hilfe würden Aspekte dieser Kritik trotz ihrer Wichtigkeit nicht existieren.

Ganz großen Dank dafür, mein Lieber!


Geschrieben von ChaosZx2 am 21.10.2013, 21:24 Uhr


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